134 111. Jeitr. Die neuere Zeit, von der Reformation bis jetzt.
seine ganze Macht zu kehren, und nur die übrigen wichtigen Ge¬
schäfte seines Lebens haben ihn verhindert, seinen Wunsch ganz aus-
zuführen. Sobald er indeß einen Augenblick Ruhe vor sich sah,
benutzte er denselben zur Bekriegung der mohamedanischen Raubstaa¬
ten an der Nordküfte von Afrika, welche die Schifffahrt auf dem
mittelländischen Meere unaufhörlich beunruhigten, alle Schiffe kaper¬
ten und die Christen, die fie darauf fanden, in die Sklaverei fort¬
schleppten. Besonders machte sich ein kühner Seeräuber, Ha radin
Barbarossa, furchtbar, der sogar die Stadt Tunis eroberte, den
König Haften daraus vertrieb, und von hier und von Algier aus dem
spanischen Handel außerordentlichen Schaden zufügte. Gegen diesen
brach Karl im Jahr 1535 mit 30,000 Mann, worunter auch 8000
Deutsche unter dem Grafen Max von Eberstein waren, auf, landete
bei Tunis, eroberte das feste Schloß Goletta, welches den Hafen
beschützte, schlug in der Ebene von Tunis Haradins Heer, und nahm
die Stadt ein. Diesen Tag pries Karl als den schönsten seines
Lebens; denn er hatte die unaussprechliche Freude, 22,000 Christen-
fklaven, die von den unmenschlichen Räubern in der härtesten Sklave¬
rei gehalten waren, zu befreien und in ihr Vaterland, in die Arme
ihrer trauernden Anverwandten, zurückzuschicken.
Der grausame Haradin war nach Algier entflohen; im näch¬
sten Jahre gedachte ihn Karl auch hier anzugreifen; allein einer
von den schon erwähnten Kriegen mit Franz I. hinderte ihn daran;
denn Franz hatte des Kaisers Abwesenheit sogleich benutzt, seine alten
Eroberungsgedanken von Neuem zu verfolgen. Erst 1541 konnte
Karl wieder Zeit gewinnen, an den Zug nach Algier zu denken.
Sein Eifer war so groß, daß er den Augenblick kaum erwarten konnte
und gegen den Rath seines erfahrenen Admirals, Andreas Doria,
noch im Octobermonat, da das mittelländische Meer schon viel zu
stürmisch war, mit der Flotte absegelte. Am 20. Oct. erreichte ex
zwar das Ufer bei Algier und das Heer stieg an's Land; aber
noch an demselben Abend, ehe Geschütz und Lebensmittel ausgeschifft
werden konnten, erhob sich ein starker Sturm, riß die Schiffe von
ihren Ankern und warf sie in die hohe See. Zugleich strömte der
Regen wie in Bächen vom Himmel herab, und der Sturm wüthete
auch gegen die Krieger am Lande so entsetzlich, daß sie ihre Lanzm
fest in die Erde stoßen mußten, um sich nur daran festzuhalten.
So brachten sie, bis über die Füße im Wasser stehend, eine traurige
Nacht zu, und am andern Morgen, als das Ungewitier etwas nach¬
gelassen hatte, kamen die leichten türkischen Reuter zum Angriffe
angesprengt. Ein weniger großsinniger Anführer hätte unter solchen
Gefahren den Muth verloren, sich selbst mit seinen Getreuen auf
eins von den übriggebliebenen Schiffen gerettet, und das Heer sei¬
nem Schicksal überlassen. Aber Kaiser Karl blieb mitten unter seinen
Schaaren, munterte sie durch sein Beispiel zur Entschlossenheit auf,
theilte mit dem gemeinen Krieger Arbeit und Entbehrungen, und
führte so das Heer, in guter Ordnung, unter beständigen Angriffen
der Feinde, durch Schlamm und Wasser, drei Tage lang an der