Full text: [Teil 4 = 5. Schulj., [Schülerbd.]] ([Teil 4 = 5. Schulj., [Schülerbd.]])

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Viehscharen, mit Rädergerassel und Sensenklang, mit Taubengeflatter 
und Lerchengeschwirr waren einst nichts anderes, als ein weites, 
sumpfiges Rohrfeld oder gar ödes, kahles Watt ohne allen Pflanzen¬ 
wuchs, und sie würden sofort wieder in den alten, wüsten Zustand 
übergehen, wenn einmal die Deiche verschwänden. 
In diesen Deichen, die sich gleich mächtigen Festungswällen in 
der ganzen Länge der Marschen schützend vor ihnen herziehen, 
sehen wir die erste aller Bedingungen des Daseins jener reichen, 
blühenden Ufergebiete; von ihrer Erhaltung hängt das Wohl und 
Wehe vieler Tausende, ja das Dasein ganzer Landstriche ab. 
Um aber ganz die hohe Wichtigkeit und Bedeutung der Deiche 
zu begreifen, muß man einmal eine gewaltige Sturmflut mit angesehen 
haben; denn wer ein solches Ereignis nie erlebte, wird sich schwerlich 
von der Größe und Schrecklichkeit derselben eine Vorstellung machen 
können. Die rechte Zeit der Sturmfluten ist von Oktober bis zum April. 
Wenn eine Zeitlang ein anhaltender Westwind weht, der große 
Wassermassen in den Kanal treibt und, sich nach Nordwesten oder 
Norden umsetzend, diese nun gegen die Küsten und weit in die 
Flüsse hinaufpeitscht, wenn sich dazu noch eine Springflut gesellt: 
dann steigen die wilden Wasser oft zu einer Höhe und Furchtbar¬ 
keit, die einem das Herz erbeben macht. 
Aber ruhig erwartet sie der Marschbewohner; weiß er doch, daß 
seine Deiche hoch und stark genug sind, ihm sicheren Schutz zu gewähren. 
Höchstens mag ihm ein trüber Gedanke an die Mühen und Kosten 
der Deicharbeit kommen, die wenige Stunden herbeiführen können. 
So steht er, unbekümmert um den heulenden Sturm, auf der Kappe 
des Deichs und schaut in ernstem Sinnen auf die wallenden Fluten, von 
denen er genau weiß, wann sie gegen den Deich heranströmen werden. 
Noch ist das Vorland trocken, noch sind die Fluten in ihrem 
Bette; doch man sieht schon, wie sie toben, wie sie sich bäumen und 
die weißen Zähne zeigen, als harrten sie voll Ungeduld der Stunde, 
wo eine höhere Macht ihnen das Zeichen zum Angriffe gibt. 
Jetzt nahen sie. Lauter und lauter wird das Brausen und 
Donnern. Sie erreichen das Vorland; in kurzer Zeit ist es bedeckt 
und beut nun, soweit das Auge reicht, nur eine einzige, wilde Wasser¬ 
wüste, deren Schaumkämme glänzendweiß gegen das trübe Grau 
der Wogen abstechen. Kein Schiff ist weit und breit zu erspähen, 
alle sind sie vor dem Sturme in sichere Buchten geflüchtet. Nur 
hier und dort kündet ein einsamer Weidenbaum, der mit seinem
	        
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