Full text: [Teil 4 = 5. Schulj., [Schülerbd.]] ([Teil 4 = 5. Schulj., [Schülerbd.]])

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blumenkranz. Mir ging diese Bewegung meiner treuen Mutter tief 
zu Herzen. Meinen eigenen, kindlichen Kummer vergessend, versuchte 
ich, sie durch Liebkosungen zu trösten, wobei sie den von ihren Tränen 
glänzenden, blauen Kranz mir aufs Haupt setzte. 
Ich war damals zehn Jahre alt, doch ist mir dieser rührende Vor¬ 
gang unvergeßlich geblieben, und erblicke ich jetzt in hohem Alter die 
liebliche, blaue Blume, so glaube ich die Tränen der treuesten aller 
Mütter darin erglänzen zu sehen, und ich liebe sie deshalb wie keine 
andere." — 
Zum 27. Januar. 
151. Vom Kaiser Wilhelm II. Deutsches Tageblatt. 
<^l^ald nach Beendigung des deutsch-französischen Krieges feierte der 
Kadett Graf von W. seinen 15. Geburtstag. Wie immer, wenn 
ein Kadett Geburtstag hat, bewirtete das Geburtstagskind die Kame¬ 
raden seiner Stube abends mit Schokolade und Kuchen, und nicht selten 
kam es vor, daß auch andere Leckerbissen, welche die „Herren Eltern" 
ihrem Lieblinge gesandt hatten, auf der Tafel prangten und von den 
Gästen mit Wohlbehagen verzehrt wurden. — Graf von W. war Waise; 
die Mutter war ihm gestorben, noch ehe er gehen konnte, und der Vater 
war als einer der ersten Stabsoffiziere 1870 gefallen. Von keiner Seite 
war er mit einer Kiste bedacht worden, und so mußten die Stuben¬ 
genossen und Freunde des kleinen Soldatensohnes mit dem fürlieb 
nehmen, was der Aufwärter für 6 Mark an Schokolade und einfachem 
Kuchen auftrug. — Nach der Arbeitsstunde zogen die Kadetten die 
Sonntagskleider an, und eine Viertelstunde später ließ man sich an der 
Geburtstagstafel nieder. Eben hatte draußen auf dem Vorsaal der 
älteste Kadett dem diensthabenden Erzieher gemeldet, daß alles zur 
Stelle sei und „Rechts — um — marsch!" kommandiert, eben waren 
die letzten Schritte der Abmarschierenden verhallt, da öffnete sich die 
Tür, und während der mit Kuchen bepackte Aufwärter „Achtung!" ries, 
trat, von zwei Dienern gefolgt, Prinz Wilhelm in die hellerleuchtete 
Stube. — Nachdem der Prinz durch eine Verbeugung den anwesenden 
Erzieher, Leutnant von Redern, begrüßt hatte, schritt er auf den ihm 
entgegenkommenden jungen Grafen zu, dessen Hand er mehrmals herz¬ 
lich drückte, und dem er den Glückwunsch seiner kronprinzlichen Eltern 
und seines „Heinz," — so nannte er seinen Bruder Heinrich — über¬ 
brachte. „Lieber W.," sagte er dann, als er zwischen dem Erzieher und
	        
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