130 Das 27. Capitel.
Was ist Weißheit?
Die Fertigkeit nach Maaßgebung aller dieser
Pflichten den Plan seines Lebens richtig zu entwer⸗
fen, und ihm stets zu folgen. Sey weise ist also
der Inbegriff aller Pflichten, besonders der Pflich
ten gegen sich selbst.
Wodurch wird der Mensch zu gewissen Pflichten
gegen andere angetrieben ?
Theils durch diejenigen Grundsaͤtze die aus rich⸗
tigen Begriffen von GOtt und seinem Willen fol—
gen; theils durch einen natuͤrlichen Antrieb, der
vermoͤge der Sympathie in ihm liegt; theils
aber auch durch das Vergnuͤgen, welches allemal
die getreue Ausuͤbung der Pflichten begleitet.
Welches ist die vornehmste Pflicht gegen andere?
Die Sorge fuͤr das Leben des andern, und fuͤ
die Befoͤrderung seiner innern und aͤussern Voll
kommenheiten; eine fruchtbare Quelle von tausend
andern Pflichten.
Welches sind die vornehmsten derselben?
Die Pflicht, das, was man entbehren kann, dem
beduͤrftigen Naͤchsten zu uͤberlassen, und nach dessen
Beduͤrfnissen seine Habgierde einzuschraͤnken; die
Pflicht fuͤr seinen Naͤchsten, aus Liebe zu ihm, zu
arbeiten, und wenn andere Pflichten es gestatten,
ihm auch umsonst zu dienen; die Pflicht, das Ver—
gnuͤgen des Naͤchsten zu befoͤrdern also auch sich
eines freundlichen und gefaͤlligen Betragens gegen
ihn zu befleissen; die Pflicht, Ungluͤck von dem an—⸗
dern abzuwenden, und ihn vor Irrthum zu bewah⸗
ren
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