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sollte er ihn nicht mehr genießen; bereits am 25. September 1876
schloß der selbstlose, große Mann die Augen.
Das mächtige Erzstandbild, das uns der verewigte Meister auf¬
richtete, wird den Stürmen der Elemente und Jahrhunderte trotzen,
und noch zu den fernen Geschlechtern sprechen von Tagen des
Sieges, von Stunden höchster Festesweihe. Erbaut ward es, uns nicht
allein zur Freude und zum schmeichelnden Ruhme, noch mehr zu
einer dauernden Mahnung, stets eingedenk der Taten unserer Helden
zu sein, aber auch in Einigkeit, Gesittung und freiem Streben zu¬
sammenzuhalten und uns des Errungenen zu freuen. Den Feinden
des deutschen Vaterlandes soll dieses Denkmal ein bedeutungsvolles
Zeichen sein, daß wir Deutschen allezeit bereit stehen, daß wir uns
noch immer nach grimmem Hader und kleinlicher Zwietracht in
Stunden ernster Gefahr zusammenfanden, um mit dem Schwerte für
die Ehre, die Güter und die Freiheit unseres nun endlich doch geeinten
Vaterlandes mutig einzutreten. August Trinius.
213. Süd und Nord in Deutschland.
Eine geographische Grenze zwischen Mittel- und Norddeutsch¬
land läßt sich nur schwer ziehen, und jeder Kartenzeichner verfällt
der Willkür, wenn er Grenzen zwischen Mittel- und Süddeutsch¬
land feststellen soll. Doch gibt es immerhin noch einige Unter¬
schiede zwischen dem Oberdeutschen im südlichen und dem im
mittleren Deutschland, wenn auch nicht in der Schrift-, doch in der
Verkehrssprache, und nicht bloß in der Sprache, sondern selbst in
der Küche. Der Norden salzt die Butter oder, wie man auch bis¬
weilen im Süden sagt, den Butter; der Süden dagegen ißt süße
Butter und bereitet die Speisen mit Schmalz (geschmolzener
Butter), was in Mitteldeutschland ganz ungewöhnlich ist, während
man in Norddeutschland mit den: Namen Schmalz nur das Fett
der Gänse und Schweine bezeichnet.
Kleine Schattierungen in der Umgangssprache finden sich un¬
zählige, und wer von Nord nach Süd oder von Süd nach Nord
versetzt wird, hat manches zu vergessen und manches zu erlernen.
Hat mein Freund das zweite Stockwerk eines Hauses in Leipzig
inne, so besuche ich ihn dort „zwei Treppen hoch", in München
würde es heißen „über zwei Stiegen". In Leipzig muß ich an
der „Vorhaustüre" klingeln, in München dagegen schelle
ich vor der „Haustüre". . *
Wenn ein Süddeutscher in seinem Briefe über die Mücken¬
plage klagt, so denkt sein Freund in Norddeutschland wahrscheinlich
zunächst an die bösen Stechmücken, die am Rheine den lustigen
Namen Schnaken führen; denn der Norddeutsche kennt im Hause
nur die Flieg e. Er weiß ferner, daß Roß und Gaul gleich¬
bedeutend sind mit Pferd, aber den ersten Ausdruck glaubt er