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161. Das Ei des Kolumbus.
Bei einem Feste, das der Kardinal Mendoza dem Admiral Kolnm-
bns zu Ehren veranstaltete, hielt er ihm eine große Lobrede wegen der
von ihm gemachten Entdeckung, die er den größten Sieg nannte, den
jemals der Geist eines einzigen Mannes erfochten habe. Die anwesenden
Herren vom Hofe nahmen es übel auf, daß einem Ausländer, noch dazu
einem Manne, der nicht einmal von vornehmer Herkunft sei, so große
Auszeichnung erwiesen würde. „Mich dünkt," hub einer der königlichen
Kammerherren an, „der Weg nach der sogenannten neuen Welt war nicht
so schwer zu finden, der Ozean stand überall offen und kein spanischer
Seefahrer würde den Weg verfehlt haben." Mit vornehmem Gelächter
gab die Gesellschaft dieser Äußerung ihren Beifall zu erkennen und mehrere
Stimmen riefen: „O, das hätt' ein jeder von uns gekonnt!"
„Ich bin weit entfernt," entgegnete Kolumbus, „mir etwas als
Ruhm anzumaßen, was ich nur einer gnädigen Fügung des Himmels
zuschreiben darf; indessen kommt es doch bei vielen Dingen in der Welt,
die uns leicht ausführbar erscheinen, oft nur darauf an, daß sie ein
anderer uns Vormacht. — Dürft' ich," sagte Kolumbus zu jenem Kammer¬
herrn gewendet, „Ew. Excellenz wohl ersuchen, dies Ei" — er hatte sich
von einem Diener ein Hühnerei bringen lassen — „so auf die Spitze zu
stellen, daß es nicht umfüllt?" Die Excellenz versuchte von der einen wie
von der andern Seite vergeblich, das Ei zum Stehen zu bringen. Der
Nachbar bat es sich aus; es gelang ihm eben so wenig. Nun drängten
sich die andern dazu, ein jeder wollte den Preis gewinnen; allein weder
mit Eifer noch mit Ruhe war es möglich, das Kunststück auszuführen.
„Es ist unmöglich," riefen die Herren, „ihr verlangt Unausführbares!"
— „Und doch," sagte Kolumbus, „werden sie sogleich sagen: das kann
ein jeder von uns auch!" Jetzt nahm er das Ei und setzte es mit einem
leichten Schlag auf den Tisch, so daß es auf der eingedrückten Schale
feststand. — „Ja, das kann ein jeder von uns!" riefen die Herren.
Seitdem hört man oft sagen, wenn eine glückliche Erfindung gemacht
wurde, zu welcher ein jeder sich klug genug dünkt: „Das Ei des Ko¬
lumbus!" Fr. Förster.
162. Winterlied.
1. Wie ruhest du so stille
in deiner weißen Hülle,
du mütterliches Land!
Wo sind des Frühlings Lieder,
des Sommers bunt Gefieder
und dein beblümtes Festgewand?