Full text: (Für das 6., 7. und 8. Schuljahr) (Teil 3, [Schülerband])

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1. Es saß der junge König hoch auf des Vaters Chron, 
es schien, daß er vergessen die Blume lange schon. 
Wohl ritt er laut zu Walde des Morgens jeden Tag; 
die alte Königinne allein der steten Trauer pflag. 
2. Da hieß es mit einem Male, ein Ritter zieht durchs Reich, 
der spielt auf einer Flöte gar traurig und wunderreich, 
und wo er vorüberreitet, da stehen die Menschen still, 
und wer ihn einmal gehöret, nie wieder fröhlich werden will. 
3. Bald drang die neue Kunde auch zu der Königin: 
„Caßt mir den Spielmann kommen, ob er mir steht zu Sinn.“ 
Da führte man den Ritter heimlich in ihre Tür, 
wohl einen Tag beinahe blieb er verschlossen da mit ihr. 
4. Und als er wieder weiter vom Königshofe zog, 
gar bald hinaus die Märe auf alle Straßen flog: 
„Er hat die Flöte gelassen wohl in der Königin Hand.“ 
Da redeten die Leute von nichts mehr sonst im ganzen LCand. 
VI. 
Der König lud die Edlen all nach Hof zu einem Feste, 
da kamen sie mit lautem Schall; er grüßte sie aufs beste. 
Den Kämm'rer hieß er steigen zur Königin hinauf, 
er trug ihm sich zu neigen mit vielen Worten auf. 
b „Hehre Königin, 
schlagt Euch aus dem Sinn 
die Trauer um die Toten, sie kehren doch nicht mehr.“ 
„Wohl weiß ich es wohl, die Toten sind tot, 
doch fiele mir's hart, zu kleiden mich rot 
10 vor alle den Rittern und Degen umher. 
Wohl aber zum Feste zu kommen, das bin ich sehr bereit.“ 
Und er brachte die Kunde 
dem König zur Stunde; 
dem schien sie nicht zu frommen, er schwieg eine lange Zeit. 
15 Der ganze Hof beisammen harrt, der König saß erhoben, 
zur Türe hin sein Auge starrt; verdüstert saß er oben. 
Da begannen die Harfen zu klingen; ganz schwarz sie trat herein. 
Was tät sie in den Händen schwingen ? Ein weißes Zepterlein. 
Nach dem Thron sie schritt 
2o0 und winkte damit, 
da ward es im weiten Kreise auf einmal gänzlich still. 
Nun zum Munde sie hob das Totenbein, 
da schaute bestürzt der König darein, 
was wohl für ein Lied sie beginnen will. 
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