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heraus. Ich hätte so gerne in meinem kindlichen Sinne ein wohl—⸗
lautenderes gefunden, aber der Vater drang, und die Antwort mußte
heraus: „Eine Lüge!“ — Der vater sprach weiter: „Du hast vor
mir, deinem Vater, der dich so lieb hat, gelogen, aber weißt du
nicht, wo wir auch sind, und was wir auch tun, da ist Gott um
uns und sieht uns, und auch die Augen seiner heiligen Engel
sind auf mich und dich gerichtet. Du hast also nicht nur vor mir,
deinem Vater, sondern auch vor Gott und seinen heiligen Engeln
gestohlen und gelogen. Darum, ehe du heute abend dich zu
Bette legst und morgen früh und, gebe Gott, noch manchen Tag,
bete zum herrn Jesus: Ach, lieber herr Jesus, ich habe sehr an
dir gesündigt. Ich habe gestohlen und meinen vVater belogen;
vergib du mir meine Sünde und schaff in mir, Gott, ein reines
herz und gib mir einen neuen gewissen Geist, damit ich nicht mehr
solche Sünde tue!‘ — Ich weinte sehr. Der Vater fuhr fort:
„Siehe, du weinst nun bitterlich. Du tust recht daran. Die Sünde
ist bitter. Das zeigt uns Gott durch die Strafe, welche er auf die
Sunde gelegt hat. Junge Kinder, wenn sie gesündigt haben,
straft Gott durch den Arm ihrer Väter, damit sie daran gedenken,
wie bitter sie sei. Dort bei der Wanduhr steht mein Stock, geh
und bring mir ihn!“ Ich brachte ihn und empfing von der hand
meines Vaters die wohlverdiente Züchtigung. Ob diese sonst so
schwere und starke hand mich wenig züchtigte oder viel, das weiß
ich nicht mehr; das weiß ich aber, daß mir die Strafe von des
Vaters hand nicht so wehe tat als das Gefühl, daß ich Gott und
meinen Vater betrübt und belogen hatte.
Dieses ECxamen wirkte tief und lange in meiner jungen Seele
nach. Das Lügen war mir schändlich erschienen. Gott gab auf viele
Jahre meinem jungen hHerzen eine Kufrichtigkeit, welche oftmals,
wenn ich gefehlt hatte, die liebe schwere hand des züchtigenden
Vaters entkräftete, so daß er den Stab „Wehe“ aus der hand
legte und zu mir sagte: „Weil du so aufrichtig bist und deinen
Fehler treulich bekennest und bereuest, so will ich dir für diesmal
noch die Strafe erlassen!“
heinrich von Schubert.