Full text: [Stufe 3, [Schülerband]] ([Stufe 3, [Schülerband]])

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Eines Tages kam der Sohn des Gartners und stleß selnen Spaten in 
dle Erde, weil er ein Beet anlegen wollte. Knapp neben der kleinen 
Mumie fuhr das Eisen in die Tiefe — um ein Haar, so hätte er sie 
mitten entzwei geschnitten; aber ein Stein lenkte die Ricehtung ab. 
„Sieh mal, was ist das?“ fragte der Gartnerjunge. 
„Das ist eine Puppe,“ sagte der Gärtner und drülekto sle leise 
zwischen selinen harten Fingern. Heftig schnellte sle ein paarmal hin 
und her mit dem spitz auslaufenden Ende. Dann blieb sie wieder un- 
beweglieh, gleien als ware sie tot. 
„Soll ich sie zertreten?“ 
„Warum nicht gar! Was Schlimmes ist's nicht, kein Engerling oder 
dergleichen. Wir wollen sie wieder hineinlegen und Erde darauf 
schutten.“ 
Da lag sle wieder im Grabe und hatte ihren Frieden. 
Es kam der Winter und deckte Schnee darulber. 
Dann kam der Frühling, da drang Feuchtigkeit und eine Ahnung von 
Eines Tages saß zwischen dem feuchten Gras, untör dem die kleine 
Mumie geschlummert hatte, ein grober Schmetterling mit weichen, schlappen 
Flügeln. Die Flügel sahen grau und unscheinbar aus, aber eigentlich 
waren sie wunderbar zart gezeichnet und kunstvoll marmoriert. Und 
unter diesen Flügeln befanden sich noch ein paar kleinere, die man fülr 
gewöhnlich nicht sehen konnte, weil sie von den anderen verdeckt wurden, 
und die waren sogar bunt und von prächtiger sonnenheller Farbe. 
Hehrere Tage und Nächto saß der Schmetterling unbeweglich, bis 
die Flügel stark und steif geworden waren. Und dann unversehens, 
mitten in einer klaren Frühlingsmondnacht, da schwirrte er plötzlich auf 
und flog wie ein Pfell duren die Luft. Schneller als eine Fledermaus, 
ja, was sag' ich, schneller als eine Schwalbe schob er dahin, hinauf, 
hlnab, und tummelte sich und schwenkte sich und hatte seine Lust. Und 
dann auf einmal stand er still, Uber demselben Busch, auf dem er einst 
als Raupe gesessen hatte, und der jetzt voll duftender Blüten hing. Wie 
ein Licht, gegen den Windzug geschützt, so ruhig und stet, so hing er 
mit leise zitternden Flügeln in der lauen Frühlingsnacht über den 
Blülten, die erstaunt ihre Augen aufschlugen. Und er entrollte einen 
langen, schlanken Saugrüssel und versenkte ihn vorsichtig in die Tlefe 
eines kelches. 
Geracde eben kam die alte Gartenschnecke lhres Weges gekrochen. 
Fast hätte sle ihn nicht wiedererkannt, abor er grüßte freundlieh zu inr 
Wäarme in die Tiefe. 
hinlüber.
	        
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