Den Römern aber grub sich diese erste Bekanntschaft mit den „Barbaren"
tief ins Gedächtnis.
Ariovist, ein germanischer Heerkönig. 30 Jahre nach der Niederlage der Cimbern
zog ein germanischer Heerkönig vom Stamme der Sueben, die auf der rechten Seite
des Ober- und Mittelrheines saßen, an der Spitze von etwa 15000 streitbaren Männern
über den Rhein. Er war von: keltischen (gallischen) Stamme der Sequaner, die zwischen
Jura und Saone lebten, zu Hilfe gerufen worden in ihren Kämpfen mit Nachbarstämrnen.
Zwar siegten die (Sequaner unter feinem Beistände; doch forderte Ariovist von ihnen als
Entschädigung V3 ihres Landes. Ihm mag wohl der Gedanke gekommen fein, sich all¬
mählich zum Herrn in Gallien auszuwerfen; denn er zog immer mehr Stammesgenossen
über den Rhein. Mit Schrecken sahen die Sequaner und mit ihnen andere Stämme die
heraufbeschworene Gefahr; die Erinnerung an die Cimbern stieg in ihnen aus, und sie
griffen zu den Waffen, um den schlimmen Gast mit Gewalt zu vertreiben. Allein
Ariovist war nicht der Mann, der sich überraschen liest. Er hielt einen ansehnlichen Teil
seiner Mannschaft als stehendes Heer in einem befestigten Feldlager bereit. Es scheint,
er hatte bei den Römern etwas von der Kriegskunst gelernt. Die Gallier erlitten denn
auch eine gründliche Niederlage. Neue Zuschüsse aus Deutschland ergänzten die Lücken
im Suebenhiuifen. Man muß annehmen, es hatte sich die Kunde von Ariovists Erfolgen
in ben Dickichten herumgesprochen; denn es machte sich unter den germanischen Stämmen
ein drohendes Schieben und Drängen nach dem Westen bemerkbar.
In Rom hatte man bis jetzt diese Vorgänge auf die leichte Schulter genommen.
Das änderte sich, als im Jahre 59 v. Chr. Julius Cäsar als römischer Oberbefehlshaber
nach Südgallien ging. Er wollte nicht nur das ganze Gallien unterwerfen, er wollte
auch den Germanen einen Denkzettel geben, der sie vor dem Gelüste, wie es die Cimbern
gehegt, gründlich heilen sollte. Er wußte die Gallier geschickt anzufassen, so daß sie ein
Freuudfchafts- und Bundesverhältnis mit ihm schlossen. Er nennt sie seine „Brüder"
und „Blutsverwandten" und leitete aus dem Bundesverhältniffe das Recht ab, gegen
Ariovist vorzugehen. Zunächst ließ er diesen zu einer Unterredung einladen. Aber der
stolze Suebe trug dem Boten auf: „Saget dem Cäsar, daß ich zu ihm kommen würde,
wenn ich ein Anliegen an ihn hätte; will Cäsar aber etwas von mir, so mag er anch zu
mir kommen."
Nun stellte Cäsar bestimmte Forderungen: keine neue Einwanderung von Germanen
in das linksrheinische Land, Rückgabe der keltischen Geißeln. Ariovist läßt antworten:
„Vermöge des Kriegsrechts behandelt der Sieger die Besiegten nach feiner Willkür. Auch
das römische Volk verfährt mit seinen unterjochten Völkern nach eigenem Gefallen und
nicht nach der Vorschrift eines andern. Dem Cäsar ober lasse ich melden, noch niemand
hat, sich ohne fein Verderben in Krieg mit mir eingelassen. Er soll nur, wenn er Lust
hat, bie Feindseligkeiten anfangen. Er wird die Tapferkeit feiner unüberwindlichen Ger¬
manen, die so geübt in ben Waffen unb feit 14 Jahren unter kein Obbach gekommen
sind, fühlen."
Ariovist konnte einen solchen Ton anschlagen, wußte er both, baß aus ben 100
Gauen bcr Sueben sich 100000 Mann an ber rechtsrheinischen Seite lagerten,' bie sicher
bereit stauben, auf feinen Ruf hinüberzutreten in linksrheinisches Gebiet.
Cäsar marschierte nun auf Befontio iBesau^on) am Doubs tos; Ariovist richtete
seinen Marsch auf dasselbe Ziel. Bei der Kunde vom Anmarsche der Germanen
bemächtigte sich der römischen Soldaten tiefe Niedergeschlagenheit. Jeder verfaßte sein
Testament. Unter einem andern Feldherrn wäre die Sache übel abgelaufen; aber Cäsar
besaß die wunderbare Gabe, durch sein Auftreten und Reden Vertrauen einzuflößen. So
beruhigte er auch hier durch Hinweis auf die großen Erfolge der Römer in allen Unter¬
nehmungen und die Schlußworte „Folgt mir niemand, so werde ich doch mit der 10.
Legion allein vorrücken, an deren Folgsamkeit ich nicht zweifle; diese soll meine Leib¬
wache fein", beschämte die übrigen und erweckte in ihnen zugleich den Eifer, der 10. Le¬
gion den Rang abzulaufen.
Die Heere rückten einander näher; da wirkte denn doch die Gewalt des römischen
Namens auf Ariovist. Er ließ nun seinerseits um eine Unterredung bitten. Sie fand
auf einer Anhöhe statt. Sie wurde auf ber einen Seite mit Klugheit, auf der andern
mit Stolz geführt, vertief aber erfolglos. Wie hätte es auch anders fein können. So