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letzte Mal sein!“ — vor Scham wagte ich kaum die Augen auf—⸗
zuschlagen, aber doch ist mir das Antlitz jenes Mannes umvergeßlich
geblieben.
In der Schule war ich anfangs sehr unaufmerksam, ich glaubte
immer von neuem die Worte zu hören: „Laß es das letzte Mal
sein!“ Und ich nahm mir fest vor: „Ja, es soll gewiß das erste und
letzte Mal sein!“ Aber auch lange nachher, wenn ich aus dem Kate—
chismus das siebente Gebot aufsagen sollte, dachte ich mit heftigem
herzklopfen an jenen Morgen. Als ich nach einigen Jahren die
Schule verließ, ward ich Lehrling bei einem Kaufmanne in Bremen;
von dort ging ich später nach Südamerika. hier kam ich wohl manch⸗
mal in Versuchung, in Kaufmannsgeschäften zu betrügen und so die
hand nach fremdem Gute auszustrecken; aber dann war es mir immer,
als fühlte ich von neuem die Ohrfeige, und ich erinnerte mich der
Worte: „Laß es zugleich das letzte Mal sein!“ So bin ich
ehrlich geblieben, und in dem Vermögen, das ich mit herübergebracht
habe, ist kein Pfennig unrechten Gutes. Gott sei dafür gelobt!“
So erzählte der junge Mann; dann aber ergriff er die Hand des
herrn Müller und sagte: „Darf ich nun diese hand, die mir eine
solche Wohltat erwiesen hat, recht dankbar drücken?“
Oldenburger Volksbote.
34. Schlechter Lohn.
sAls im Jahre 1806 die Franzosen als Seinde nach Berlin
kamen, da wurde unter anderem viel königliches Eigentum weg⸗
genommen und fortgeführt oder verkauft. Denn der Urieg bringt
nichts, er holt. Was noch so gut verborgen war, wurde entdeckt
und teilweise zur Beute gemacht. Ein großer Vorrat von könig⸗
lichem Bauholze blieb lange unversehrt. Doch kam zuletzt noch ein
Spitzbube von des Königs eigenen Untertanen, der ein gutes Trink⸗
geld zu verdienen glaubte, und zeigte dem französischen Komman—⸗
danten mit schmunzelnder Miene und spitzbübischen Augen an, was
für eine schöne Menge von eichenen und tannenen Baumstämmen
noch da und da beisammen liege, woraus manches Tausend Taler zu
lösen wäre. Aber der Kommandant gab ihm die gebührende Münze
für die Verräterei, indem er sagte: „Laßt die schönen Baumstämme