17
sanken, von seinem Speere getroffen. Er aber suchte nur Hektor, der, wie
tapfer und kriegslustig er sonst war, ihm den ganzen Tag hindurch auswich.
Endlich am Abend traf er ihn unter den Mauern vor Troja; aber den sonst
Unerschrockenen verließ der Mut, und er ergriff die Flucht. Wie eine Taube
ängstlich vor dem Habicht fleucht, der sie verfolgt, so floh im scheuen Laufe
der Trojaner längs der Stadtmauer hin; aber Achilles setzte ihm mit raschen
Füßen nach. Endlich hielt Hektor erschöpft still und rief: „Weiter entfliehe
ich dir nicht, schrecklicher Achilles! Auf, laß uns kämpfen! Aber zuvor
wollen wir einen Bund beschwören, daß der Sieger den Getöteten nicht
mißhandle." — „Kein Bund ist zwischen uns beiden!" rief Achilles ent¬
gegen. „Macht auch der Löwe mit Rindern, der Wolf mit Lämmern Ver¬
träge? Wahrlich, du wirst mir nicht entrinnen!" Wort und Wurf war
eins. Doch Hektor, schnell auf das Knie sich werfend, vermied die entsetzliche
Lanze, die weit über ihn wegfuhr. Freudig aufspringend, rief er aus:
„Gefehlt, Achilles! Jetzt schütze dich selber, wenn du kannst!" Und mit
gewaltigem Krachen fuhr Hektars Spieß in Achilles' Schild. Aber der
Schild war undurchdringlich, und Achilles, der den Spieß schnell ergriff,
stieß ihn seinem Feinde durch den Hals. Sterbend sank der Held nieder
und flehte den Sieger an, daß er seinen Leichnam nicht schänden möchte.
Doch Achilles kannte kein Mitleid. Er durchbohrte die Füße zwischen Ferse
und Knöchel, zog einen Riemen hindurch und knüpfte ihn an den Hinterteil
seines Wagens. So schleifte er ihn längs der Mauer hin, vor den Augen
des alten Vaters und der übrigen Trojaner, und ließ ihn endlich, durch
Blut und Staub unkenntlich gemacht, auf freiem Felde, den Hunden und
Vögeln zur Speise, liegen. Seinen Freund Patroklus begrub er dann auf
das feierlichste, und ehrte sein Andenken durch glänzende Waffenspiele, die
er an seinem Grabe anstellte. Herzog.
10. Odhsseus.
i.
Odysseus war einer von den wenigen Griechen, welche nach dem Ende
des trojanischen Krieges wieder in ihre Heimat gelangten; aber er irrte
vorher zehn Jahre lang umher und hatte mehr Gefahren und Abenteuer zu
überstehen, als je ein Griechen Held bestanden hat. Nach mancherlei Aben¬
teuern kam er mit seinen Gefährten an die Insel der Cyklopen, deren
Gebirge treffliche Weideplätze darboten. Hier wohnten große Riesen,
die nur ein Auge hatten, welches mitten auf der Stirn saß. Odysseus
stieg mit einigen seiner Gefährten aus und hieß die anderen die schiffe
bewachen in einem verborgenen Hafen. Als er etwas ins Land hinein
gegangen war, sah er eine große Höhle, die bewohnt zu sein schien. Er
ging hinein. Es war niemand darin, da er aber mancherlei Milch¬
geräte vorfand, so beschloß er, die Rückkehr des Wirtes zu erwarten und
dessen Gastfreundschaft zu erbitten. Gegen Abend hörte er das Blöken
einer nahenden Schafherde und die schweren Tritte des Riesen Polyphem.
Die Herde zog langsam in die Höhle, welche Polyphem schloß, indem er
Die Welt im Spiegel. I. N. 0. ^