51. Kaiser Napoleon und die Obstfrau von Brienne.
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reicher Soldat auszuüben, was er dort gelernt hatte, war
er ihr noch einige Thaler schuldig. Und als sie das
letztemal ihm einen LTeller voll saftiger Pfirsiche oder
güssser Trauben brachte, sagte er: „Praulein, jetzt muls
jch fort und Lann Euch nicht bezgahlen. Aber ILbr sollt
nicht vergessen sein.“ Aber die Obstfrau sagte: ,0O,
reisen Sie wegen dessen ruhig ab, edler, junger Herr.
Gott erbalte Sie gesund und mache aus Ihnen einen
glücklichen Mann!“
Allein auf einer solehen Laufbahn, wie diejenige
war, welehe der junge Krieger jetzt betrat, kann auch
der beste Kopf so etwas vergessen, bis zuletzt das
erlkenntliche Gemut ibhn wieder daran erinnert. Napoleon
wird in kurzer Zeit General und erobert Ltalien. Napo-
leon geltt nach Agypten, vo einst die Kinder ILsrael
das Zieglerbandwerk trieben, und liefert ein Lreffen bei
Nazaretl, wo vor 1800 Jahren die hochgelobte Jungfrau
wohnte. Napoleon stellt in seinem unglücklieb gewor-
denen Vaterlande die Rube und Ordnung vwieder her
und wird französischer Kaiser, und noch hatte die gute
Obstfrau in Brienne nichts, als sein Wort: „Lbr sllt
nieht vergessen sein!“ Aber ein Wort, noch immer so
gut, als bares Geld, und besser. Denn als der Raiser
in Brienne einmal erwartet vurde, — er war aber in
der Stille schon dort, und mag wobl sehr gerührt ge-
wesen sein, wenn er da an die vorige Zeit gedachte und
an die jetzige, und wie ihn Gott in so kurzer Zeit und
dureh so viele Gefahren unversebrt bis auf den neuen
Kaiserthron gefübrt hatte, — da blieb er auf der Gasse
plötzlich still steben, legte den Finger an die Stirne,
Vie einer, der sieh auf etwas besinnt, nannte bald darauf
den Namen der Obstfrau, erkundigte sich nach ihrer
Wohnung, die so ziemlich baufällig war, und trat mit
einem einzigen Begleiter zu ihr hinein. Eine enge
Thure fübrte ihn in ein Kleines, aber reinliches Zimmer,
wo die Erau mit zwei Kindern am Kamin kniete und
ein sparsames Abendessen bereitete.
„Kann ich hier etwas zur Erfrischung haben?“ fragte
dor Kaiser. — „Ei jal* erwiderte die Frau, „die Me-
lonen sind reif,“ und holte eine. Mährend die zwei
fremden Herren die Melone verzebrten und die Erau
noch ein paar Reiser an das Feuer legte, fragte der