Full text: Die vorchristliche Zeit (Theil 1)

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dem höhnenden Jauchzen der Feinde; alle noch vorhandenen Schiffe wurden 
fortgeführt und nur zwölf kleine elende Fahrzeuge blieben den Athenern übrig. 
Die Volksherrschaft wurde aufgehoben, alle verbannten Aristokraten kehrten 
frohlockend zurück. Das freie Athen sollte nun nach spartanischem Muster 
regiert werden; dreißig spartanisch gesinnte Bürger erhielten die unumschränkte 
Gewalt (Tyrannis) und wurden von den Bürgern die ,,dreißig Tyrannen" 
genannt. Diese, von der spartanischen Besatzung unterstützt, mordeten und 
plünderten nach Willkür. 
Das Haupt dieser Tyrannen war Kritias, der mit einem Volksfreunde, 
Theramenes, anfangs Hand in Hand ging. Als aber Letzterem das Wüthen 
des Kritias zu arg wurde, that er Einsprache; aber vergeblich. Kritias beschloß, 
auch den Theramenes zu vernichten. Zu diesem Zwecke stellte er ein Verzeichn iß 
von 3000 Bürgern auf, als „der Besten aus dem Volke." Diese „Besten" 
sollten allein das Recht haben, Waffen zu tragen und Staatsämter zu bekleiden. 
Alle übrigen Bürger mußten ihre Waffen ausliefern. Gegen diese Maßregel 
äußerte sich Theramenes in den heftigsten Worten. „Ist es nicht ungereimt", 
sprach er, „daß nur diese 3000 Bürger gut sein sollen und alle übrigen schlecht?" 
Die Hinrichtungen nahmen aber ihren Fortgang und trafen nicht blos die 
Volksfreunde, sondern Alle, die ein Vermögen besaßen, nach welchem den Ty¬ 
rannen gelüstete. Auch Theramenes ward aufgefordert, an diesem Unwesen 
Theil zu nehmen; er aber weigerte sich standhaft und sprach: „Sollten wir, 
die wir uns die Besten nennen, solche Ungerechtigkeiten begehen?" Von dieser 
Zeit an betrachteten die Dreißig den Theramenes als einen ihrer Willkürherr¬ 
schaft gefährlichen Mann und beschlossen seinen Sturz. 
Eine Rathsversammlung ward berufen; zuvor aber hatte hie Wache 
Befehl erhalten, mit verborgenen Schwertern zu erscheinen. In Gegenwart 
des Theramenes erhob sich Kritias und klagte ihn als einen Feind der Verfas¬ 
sung an, ja als den Urheber aller Uebel im Staat. Als er seine Anklage ge¬ 
endet hatte, nahm Theramenes das Wort zu seiner Vertheidigung und bald 
erhoben sich in der Versammlung mehrere Stimmen zu seinem Gunsten. Da 
erkannte Kritias, daß wenn man dem Rathe die Entscheidung überließe, The¬ 
ramenes der Verurtheilung entgehen würde. Er besprach sich heimlich mit den 
Dreißigen. Darauf entfernte er sich und befahl der Wache, bis an die Schran¬ 
ken der Versammlung zu treten. Bei seinem Eintritt aber sagte er zu dem 
Rathe: „Diese Männer hier geben zu erkennen, daß sie es nicht gestatten wol¬ 
len, wenn wir den Theramenes freisprechen, da er ohne Hehl die Regierung 
geschmäht hat. Da unsere neuen Gesetze verbieten, die in dem Verzeichnisse der 
3000 befindlichen Bürger ohne euer Urtheil zu strafen: so streiche ich mit euer 
aller Bewilligung den Theramenes aus diesem Verzeichnisse aus. Dann ist er 
in der Gewalt der Dreißig und wird seiner Strafe nicht entgehen!" 
Nach/ diesen Worten sprang Theramenes an den Altar und sagte: „Ich 
stehe, euch, ihr Männer, an um das, waS ich mit dem größten Rechte fordern 
kann. Wohl weiß ich, daß dieser Altar mich nicht schützen wird, aber Jene 
sollen zeigen, daß sie nicht blos gegen Menschen, sondern auch gegen Götter 
freveln. Ihr aber, Männer von Athen, wollt ihr euch nicht selbst helfen und 
seht ihr nicht, daß man auch eure Namen nach Belieben streichen wird?" 
Kritias ließ die Eilfmänner kommen, denen die Aufsicht über das Gefäng- 
niß und die Hinrichtungen oblag; zu diesen sprach.er: „Wir übergeben euch 
den Theramenes, der nach dem Gesetz zum Tode verurtheilt ist; führt ihn in's
	        
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