erstarrt dem aufrecht auf seinen Hinterfüßen stehenden Bären gegen¬
über. Doch gerade die Furcht war es auch, die seinem Arme jetzt
ungewöhnliche Kräfte gab; er führte mit der Holzaxt einen so
glücklichen Streich nach dem aufgesperrten Rachen des Tieres, daß
er diesem den Unterkiefer zerschmetterte. Nun kam dem erschrockenen
Manne die Besinnung wieder und zugleich ein ungewöhnlicher Mut.
Nach feiner Erzählung erkannte er erst jetzt, daß der Feind, der da
vor ihm stand, ein Bär sei, und dachte sogleich an die Prämie^,
welche auf Erlegung eines Bären gesetzt ist. Beißen, das sah er
wohl, konnte ihn das Tier mit seiner zerschmetterten Kinnlade nicht
mehr, desto gefährlicher aber hätte ihm der Druck seiner Tatzen
werden können, wenn es ihm nicht gelungen wäre, dem Bären nock-
einige Wunden an der Brust und der Schulter beizubringen. Aber
noch war der Feind nicht besiegt. Der Bär warf sich zu Boden
auf den Rücken und fing mit vorgehaltenen Tatzen die meisten
Streiche der Holzaxt auf oder minderte doch ihre Wirkung. Dennoch
traf mancher Schlag so gut, daß das geängstete Tier sich zur Flucht
bequemte; es wälzte sich plötzlich aus dem Schnee des jähen Berg¬
abhanges hinab in den unten vorbeifließenden Wildbach. Der Weber
eilte ihm nach und sprang mutig hinein in das kalte Wasser, welches
ihm fast bis an den halben Leib ging.
4. Während er hier den Kampf mit dem schwer verwundeten
Bären fortführte, kam der Ortsvorsteher aus dem Fußsteige her, der
am Wasser hinführt. „Was thust du da?" rief er dem Weber zu,
„wie willst du es im stände sein, einen solchen Bären zu erlegen?
Laß ab, ich laufe hinein in den Ort und rufe etliche Scharfschützen!"
Dem Weber wurde es jetzt bang um seine Prämie, welche in Gefahr
stand, eine Beute der Scharfschützen zu werden; er strengte seine
letzten Kräfte an, und es gelang ihm, dem schwimmenden Tier
einen Schlag aus die Stirn zu versetzen, der dasselbe ganz betäubte.
Er zog es jetzt aus dem Wasser heraus, wälzte es mit Mühe auf
seinen Schlitten, band es da fest und fuhr mit der schweren Last so
schnell als möglich auf der Straße nach dem Landgericht hinab.
5. Unterweges begegneten ihm die Scharfschützen samt dem
Ortsvorstand. „Sei kein Narr," sagte einer der ersteren, „und bilde
dir eine Prämie ein! Es heißt ausdrücklich, Schußgeld wird für
einen Bären gezahlt, du aber hast den deinigen nicht erschossen,
sondern totgeschlagen." — Der Bär schien sich jetzt wieder ein wenig
zu regen, einer der Scharfschützen schoß ihn, ohne sich an den Wider¬
spruch des Webers zu kehren, durch den Kopf. Der Weber aber,
als die Männer ihn verlassen hatten, setzte seinen Weg nach dem
Landgerichte so eilig als möglich fort, nicht ohne bange Besorgnis,
ob man ihm seinen Totschlag wohl ebenso hoch anrechnen würde als
einen Totschuß.
*) Eine Prämie, eine Belohnung für verdienstliche Leistungen.