Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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18. Der König stieren Blicks dasaß, 
mit schlotternden Knien und totenblaß. 
19. Die Knechteschar saß kalt durchgraut 
und saß gar still, gab keinen Laut. 
20. Die Magier kamen, doch keiner verstand 
zu deuten die Flammenschrift an der Wand. 
21. Belsazer ward aber in selbiger Nacht 
von seinen Knechten umgebracht. Heinrich Heine. 
90. Solon und Krösus. 
Bu der Zeit, als Cyrus das neue persische Reich begründete, 
regierte in Lydien der König Krösus. Seine Herrschaft 
erstreckte sich über ganz Vorderasien. Er war unermeßlich 
reich und hielt sich deshalb auch für den glücklichsten Mann von der 
Welt. Einst kam zu ihm Solon, ein Weiser aus Griechenland. Diesem 
ließ er alle seine Reichtümer und Schätze zeigen und sprach dann mit 
innigem Selbstgesallen: „Wohlan, Solon, du bist so weit in der Welt 
herumgereist und hast so viele Menschen gesehen; nun sage mir doch 
auch, wen hältst du wohl für den Glücklichsten?" — „Tellus, einen 
Bürger von Athen!" war die Antwort. Krösus wunderte sich, daß 
er einen gemeinen Bürger ihm, dem großen Könige, vorzöge, und 
fragte unwillig: „Und warum hältst du den für den Glücklichsten?" — 
„Dieser Tellus," antwortete er, „lebte zu Athen, als die Stadt blühte 
und glücklich war. Er hatte schöne und gute Kinder, erlebte auch 
Kindeskinder, und alle blieben ihm am Leben. Er selbst war brav 
und in der ganzen Gegend geehrt. Bei genügendem Auskommen 
lebte er glücklich und zufrieden und starb hochbejahrt in einem 
siegreichen Treffen den Tod für das Vaterland. Seine Mitbürger 
ehrten sein Andenken durch eine Ehrensäule, die sie ihm setzten." 
— „Aber wen," fragte Krösus, „hältst du nach diesem für den 
Glücklichsten?" — „Zwei griechische Jünglinge," antwortete Solon, 
„Kleobis und Biton. Sie waren Brüder. Beide trugen einst in 
unseren öffentlichen Kampfspielen den Preis davon. Beide hatten 
eine innige Liebe zu ihrer alten Mutter. Eines Tages wollte diese 
zu einer Festfeier nach dem Tempel fahren; aber ihre Zugochsen 
kamen nicht zur rechten Stunde vom Felde. Da spannte sich das 
Brüderpaar selbst vor den Wagen und zog die alte Mutter zum
	        
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