Full text: [Teil 3, [Schülerbd.]] (Teil 3, [Schülerbd.])

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Ihm säumig gehorchen und frevelhaft kühn 
Sich mürrischer täglich verdüstern. 
Und stark im Geiste, gewaltig und klug, 
Erwägt er's mit weisen Gedanken. 
„Sei heut' des Weges, der Mühen genug, 
Gehemmt der Scharen gewaltiger Zug, 
Errichtet zum Fechtspiel die Schranken! 
Herbeigebracht der gewaltige Leu! 
Den Kämpfer will ich ihm stellen!“ 
Wohl seltsam scheint die Bestellung und neu, 
Und mit Neugier murmeln, es murmeln mit Scheu 
Die trotzigen, stolzen Gesellen. 
Rings wird der Platz mit Gittern umhegt, 
Dahinter die Sitze der Ritter, 
Erhaben des Königs Balkon, — da frägt 
Wohl jeder zu Unmut und Sorgen erregt: 
„Wie schwach doch, wie wankend das Gitter! 
Ein Ruck mit der mächtigen Tatz', und es fällt, 
Und das Ungetüm sitzt uns im Nacken. 
Doch der dort oben, der winzige Held, 
Wohl hat er sich trefflich sicher gestellt 
Zu schau'n, wie die Krallen uns packen!“ 
Und der Leu wird gebracht im vergitterten Haus, 
An der Schranke geöffnet das Pförtchen, 
Und der Tiere König, er schreitet heraus, 
Und die Ritter erfaßt nun Schrecken und Graus, 
Und keiner redet ein Wörtchen. 
Und zweifelnd sieht sich der Löwe befrei'n 
Und reckt in der Freiheit die Glieder 
Und schreitet getrost in die Schranken herein 
Und zeigt der Zähne gewaltige Reih'n, 
Laut gähnend, und strecket sich nieder. 
Da ruft vom Balkon mit donnerndem Laut 
Pipin: „Ihr trotzigen Krieger, 
Da schaut ein Kampfspiel, ein würdiges, schaut! 
Wer sich zu messen mit diesem getraut, 
Den nenn' ich den ersten der Sieger.“ 
Und ein Zischen, ein Murmeln, ein Murren erklingt, 
Dumpf nur im Beginnen und leise; 
Bald, wie wenn, stärker und stärker beschwingt, 
Mit wogenden Fluten die Windsbraut ringt, 
So sauset's und brauset's im Kreise. 
Und kecklich hervor tritt Gerhard von Stern, 
Der frechste der frechen Kumpane: 
„Der Vortanz verbleibe dem König und Herrn: 
Auf tanze denn, Hoheit, wir lassen Dir's gern, 
Herab von dem sichern Altane!“
	        
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