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für das Neujahr vom Turme hernieder wie ferner Kirchengesang. Er
wurde sanfter bewegt. Er schaute um den Horizont herum und über
die Erde, und er dachte an seine Jugendfreunde, die nun, glücklicher und
besser als er, Lehrer der Erde, Väter glücklicher Kinder und gesegnete
Menschen waren, und er sagte: „O, ich könnte auch wie ihr die erste
Nacht mit trockenem Auge verschlummern, wenn ich gewollt hätte! — Ach,
ich könnte glücklich sein, ihr teuern Eltern, wenn ich eure Neujahrswünsche
und Lehren erfüllt hätte!“
Im fieberhaften Erinnern an seine Jünglingszeit kam es ihm vor,
als richte sich die Larve mit seinen Zügen im Totenhause auf; endlich
wurde sie durch den Aberglauben, der in der Neujahrsnacht Geister und
Zukunft erblickt, zu einem lebendigen Jünglinge.
Er konnte es nicht mehr sehen; er verhüllte das Auge,— tausend
heiße Thränen strömten versiegend in den Schnee; — er seufzte nur
noch leise, trostlos und sinnlos: „Komme nur wieder, Jugend, komme
wieder!“ ——
Und sie kam wieder; denn er hatte nur in der Neujahrsnacht so
fürchterlich geträumt. Er war noch ein Jüngling; nur seine
Verirrungen waren kein Traum gewesen. Aber er dankte Gott,
daß er, noch jung, in den schmutzigen Gängen des Lasters umkehren und
sich auf die Sonnenbahn der Tugend zurückbegeben konnte, die ins reiche
Land der Ernten leitet.
Kehre mit ihm um, Jüngling, wenn du auf seinem Irrwege stehest!
Dieser schreckende Traum wird künftig dein Richter werden; aber wenn
du einst jammervoll rufen würdest: „Komme wieder, schöne Jugend!“ —
so würde sie nicht wiederkommen. —
XXV.
Johann Peter Hebel.
(1760 1826.)
148. Der Kirschbaum.
Zum Frühling sprach der liebe Gott: „Geh, deck dem Würmlein
seinen Tisch!“ Darauf der Kirschbaum Blätter trug, viel tausend Blätter,
grün und frisch. Und's Würmlein — aus dem Ei erwacht's nach langem
Schlaf im Winterhaus. Es streckt sich, sperrt sein Mäulchen auf und
reibt die blöden Augen aus. Und drauf so nagt's mit stillem Zahn am
zarten Blättlein hier und dort und spricht: „Wie ist's Gemüs' so gut;
man kommt schier nimmer wieder fort!“
Und wieder sprach der liebe Gott: „Deck jetzt dem Bienlein seinen
Tisch!“ Darauf der Kirschbaum Blüten trug, viel tausend Blüten, weiß
und frisch. Und bei der Sonne Morgenlicht schaut's Bienlein, und es