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Höher als der Hügel Arkonas erhebt sich auf Jasmund die Stubben—
kammer. Die Hauptbestandteile dieses kleinen Gebirges sind Kreidefels
und Feuersteine; ein zwei Meilen langer, stattlicher Buchenwald überdeckt
seine östliche Hälfte. Hat man ihn durchschritten, so steht man plötzlich
auf einem Vorsprunge des Berges, der an zwei Seiten steil 130 Meter
tief abfällt. Nur dumpf hört man das Brausen des Meeres herauftönen.
Dieser steile Abschnitt heißt die Stubbenkammer. Rückwärts zieht sich der
Fels noch hinauf zum Königstuhle, dem obersten Platze der Stubben—
kammer. Da die Wellen des Meeres unaufhörlich rauschen und branden,
so wird immer mehr von dem Fuße des Felsen abgespült; man sieht es
an der milchigen Farbe des Wassers, in welchem die Kreide sich auflöst,
während die Feuersteine sich in Bänken am Strande aufhäufen. Auf dem
Rückwege durch den Buchenwald hat der Wanderer noch den schwarzen
See zu beachten, in dessen Wasser sich die beschattenden Buchen und Über—
reste eines Erdwalles spiegeln, der vorzeiten den See umgeben hat. Man
meint, hier sei, lange bevor Wenden auf die Insel kamen, die altdeutsche
Göttin Nerthus verehrt worden. In anderen Gegenden Rügens giebt es
ebenfalls Altertümer, z. B. auf der Halbinsel Jasmund und bei der Stadt
Bergen, wo in öder Heide sich gewaltige Hünengräber vorfinden. Auf—
einer andern Stelle wird ein großer Granitblock mit künstlichen Vertie—
fungen gezeigt; er soll in heidnischer Zeit zum Opferstein gedient haben.
Auch die benachbarten Inseln Wollin und Usedom sind dem Altertums—
forscher wichtig; denn dort wird er an die untergegangene Stadt Julin,
hier an die Sage von dem durch Meereswogen verschlungenen Wineta
erinnert.
Aber auch der teilnehmende Beobachter der Gegenwart gewahrt die
Wirkungen des Meeres, und zwar heilbringende oder doch Hoffnungen
des Heils erregende. Denn die Ärzte haben sich den kalten Meereswogen
freundlich zugewendet und weisen ihre Kranken in unserem Jahrhunderte
an die frische Küste zur Genesung. Zoppot bei Danzig, Kolberg, Swine—
münde und Heringsdorf auf Usedom, Putbus auf Rügen, Doberan in
Mecklenburg und andere Orter erwarten sehnsüchtig jedes Jahr zahl—
reichen Besuch von Gästen aus dem Binnenlande, der ihnen eine in frühe—
ren Zeiten nicht gekannte Quelle des Einkommens geöffnet hat. So bunt
allerdings ist hier das Völkergemisch noch nicht wie das der Fremden,
welche in den Meeresbrandungen der Nordsee, z. B. bei Ostende, Scheve—
ningen, Norderney, Helgoland, untertauchen und Gesundheit und Lebens—
frische aus den Wogen holen.
Nach Schacht und Kutzen.