Object: Lehr- und Lesebuch für den Deutschen Geschichtsunterricht

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schritten in ihre Geschlechterstuben, bort war geschlossene Gesellschaft, 
seltene Speise imb teurer Wein. Der Hanbwerker suchte bte Zechstube 
seiner Innung. Wer in eine öffentliche Schenke trat, fanb laute Gesellig¬ 
keit imb allerlei Gäste. Dort saß bte Wirtin bes Dorfgeistlichen unb 
vielleicht neben ihr ein Schüler bcr lateinischen Schule; am anbern Tische 
rittermäßige Leute unb ihre Knechte, wilbes Volk; wenn man sich neben 
sie setzen wollte, mußte man sein Messer an ber Seite haben. Unb 
wieber gesonbert Bürger unb Bauern mit ihren Frauen. Dazwischen 
^weibeutige Gesellen, von denen ber Verstänbige wegrückte, fahrenbe 
Strolche unb wüste Gesichter. Es war arger Lärm in bem gefüllten 
Raum um bie dicken Holztische, ein unablässiges Kommen unb Gehen. 
Der eilte sang, der anbre tanzte, ein britter aß; bort erzählte einer Lugen- 
geschichten vom Weigqer, bem Vorgänger bes Münchhausen. Währenb 
bie Umsitzenben lauschten, entstaub am nächsten Tische heftiger Streit, 
weil einer bem Zntrinkenben Befcheib versagte unb erklärte, baß er mit 
niemanb nnbereni trinke als mit seiner Frau. Sie warfen bie Krüge 
eimmber ins Gesicht, stießen bie Tische unb Bänke um, bie Weiber 
kreischten imb fielen ben Gegnern in bie Haare.^ Da sprang ber starke 
Wirt bazwischen imb stiftete Frieben. Die Gäste gehorchten unb ver- 
langten einen Becher Johannesminne zur Versöhnung, bann gingen sie 
nach ber Prügelei voll nach Hause. Der Wirt aber kommt nicht zu 
Schaben, beim es ist Gesetz in ber Schenke, baß kein Frember, unb sei 
er noch so gut bekleibet, einen Trunk bekommt, wenn er nicht bas Gelb 
hinlegt. 
Das lustige Leben in ber Schenke hört aus. sobald bte Ratsglocke 
zum erftenmaie läutet; bann müssen alle Häuser geschlossen werben, und 
kein Wirt barf mehr im Hanse schenken. Nach bem letzten Läuten soll 
niemanb aus ber Straße sein, er wirb angehalten unb aus bie Wache 
geführt. Auch war es nicht ganz ratsam, bei Nacht in ber Stabt zu 
wanbeln. Es gab unsichere Leute, bie kein Nachtquartier bezahlen konnten 
imb in bunklen Ecken Unterschlupf suchten. Trunkene Gesellen zogen trotz 
allem Verbote umher unb fielen an, wen sie trafen. 
Das Lärmen im Haus unb auf ber Gaste war vorüber, nur bie 
Stabtwache schritt burch bie menschenleeren Gassen imb ber Nachtwächter. 
Der reiche Patrizier breitete bie feibene Decke von Arras über fein Lager, 
der Handwerker lag mit den Seinen in ber Kammer unter bem beutschen 
Feberbett, sein Knecht aus bem Hausboben. Die Himbe bellten einander 
zu, auf bem Turme hielt ber Wächter seinen Umgang unb spähte in bte 
bunf'le Laubschast, bis sein Hornruf unb bas Frühgeläut ben Anbruch 
eines neuen Tages verkündigten. Freytag. 
5. Die Hansa. 
Kam der Kaufmann mit dem guten Schiffe häufig an ein fremdes 
Ufer, wo er keine Attfiebeltmg oder einen Ort unter fremdem Gesetze fand, 
so war sein erstes Bestreben, sich von den Herren feines Grundes eine 
Stätte zu gewinnen, wo er mit feinen Genoffen nach Recht. Sitte unb 
Glauben der Heimat leben durfte. Diesen Raum am Strande oder bei 
den Hütten eines Dorfes umgartete er mit einer Schranke, dort lud er 
feine Wonre aus unb banb bas StranbfeU feiner Schiffe fest, bort galt 
für feine Genoffen bas Heimatrecht unb bie Orbnung. bie er sich fetzte. 
Diese Gehege für fein Recht imb feine Freiheit zimmerte ber Hanfe überall. 
Am berühmtesten war sein Garten aus ber Halbinfel Schonen. ben 
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