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V. Aus dem Naturleben. 
blieb, als einige Nächte zu opfern. Erber bezeichnete genau eine Stelle, wo 
mehrere Spinnen ihre Löcher gegraben hatten, und benutzte eine mondhelle Nacht 
zur Beobachtung. Bald nach neun öffneten sich die Klappen; die Spinnen kamen 
hervor und befestigten den in einem Gewinde von Gespinst beweglichen Deckel an 
einem nahen Halm ober Steinchen. Hierauf spannen sie iu der Nähe der 
Höhle ein etwa fünfzehn Centimeter langes und ein Centimeter hohes 
Gespinst, worauf sie sich in ihre Wohnung zurückzogen. Der Beobachter 
hatte seinen Ort so gewählt, daß er auf drei dieser Spinnen zugleich sein 
Augenmerk richten konnte. Ein Exemplar wurde abgefangen und in Spiritus 
gethan. Bei den andern beiden sah er jedoch, wie sich in dem Netze der einen 
ein kleinerer, in dem der zweiten ein größerer, ziemlich hartschaliger Schatten¬ 
käfer verwickelte, die beide von den hervoreilenden Spinnen erfaßt und 
ausgesogen wurden. Nach der Mahlzeit schleppten die Spinnen die Überreste 
der Käser eine Strecke weit von ihrer Wohnung weg. Der ganze Vorgang 
dauerte gegen drei Stunden, und da die Mitternacht bereits nahte, so begab 
sich Erber nach Hause, ohne die Spinnen weiter zu stören. Am nächsten Morgen 
zeigte sich, daß die beiden Spinnen das in der Nacht gesponnene Netz mit 
großer Vorsicht vollkommen weggeräumt hatten. Die Öffnung der Höhle, in 
der die weggefangene Spinne gewohnt hatte, stand offen wie in der Nacht, 
und ihr Gespinst hing verlassen an den Gräsern. — Das sorgfältige Weg¬ 
räumen des Fangnetzes, das Hinwegschleppen der Leichen und das ganze 
nächtliche Treiben der Deckelspinne haben etwas Unheimliches cm sich, und 
doch gehören die mitgeteilten Beobachtungen nicht der Fabel, sondern der 
Wirklichkeit an. 
Ähnliches finden wir bei unsern nordischen Webespinnen. Die Kreuzspinne 
verfertigt ihr großes Netz zwischen Blättern und Ranken und lauert in dessen 
Mitte, mit ihren acht Augen Umschau haltend, während die auf den Fäden 
ruhenden Füße die kleinste Erschütterung des Netzes verspüren, als führten 
Telegraphendrähte zu ihnen. Fängt sich ein Insekt in dem Netze, so eilt 
sie mit Blitzesschnelle darauf zu und versetzt ihm, wenn es groß und stark 
ist, rasch einen Biß mit ihren giftgefüllten Kiefern, worauf sie sich zurückzieht 
und die Wirkung des Giftes abwartet. Ermattet das Insekt nach und nach, 
so nähert sie sich ihm und umspinnt es, indem sie Faden auf Faden um das 
vergeblich sich sträubende Geschöpf zieht, bis es, in unlösliche Bande verstrickt, zum 
leckeren Mahle dient. Kleine Insekten werden umfaßt, gebissen und in die 
Mitte des Netzes oder in einen Schlupfwinkel getragen, um verzehrt zu werden. 
Ein Amerikaner hat versucht, die Menge der Nahrung festzustellen, die 
eine Kreuzspinne an einem Tage zu sich zu nehmen vermag. Am Morgen früh 
fand er sie beim Verschmausen eines Ohrwurms. Die Fliege, die ihr in das 
Netz gesetzt wurde, erwürgte sie und spann sie fest, um der Beute sicher zu 
sein, woraus sie sich wieder zu ihrem ersten Fange zurückbegab. Dies war 
um fünf Uhr morgens. Um sieben Uhr geruhte sie, einen Käfer zu sich zu 
nehmen, um ein Uhr verspeiste sie eine große blaue Fliege. Während des
	        
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