Full text: [Teil 2, [Schülerbd.]] (Teil 2, [Schülerband])

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12. Du sollst den Feiertag heiligen. 
Flieg. Blätter d. N. H. 
Ein ehrlicher Grobschmiedegesell kam auf seiner Wanderschaft 
in eine Werkstatt, wo es recht tapfer herging mit Hämmern und 
Feilen bis abends; und es war ihm eben recht, denn er arbeitete 
gern. Als aber der Sonntag kam und das Hämmern nicht auf¬ 
hörte und keine andere Orgel zu hören war als der Blasebalg, 
war es ihm nicht ganz recht; denn er wäre gern in die Kirche 
gegangen, ein geistliches Lied mitzusingen. Aber der Meister wollte 
aus seinem Eisen alle Taschen voll Gold schmieden und dachte: 
„Warum soll mein Handwerk bloß am Sonntage keinen qoldnen 
Boden haben?" 
Eine Weile hat sich's der Gesell eben gefallen lassen, weil er 
dem Meister nicht wollte zuwider sein. Allein ohne den Sonntag 
schmeckte ihm das Leben wie eine Wassersuppe, in der kein Salz 
ist. Also faßt er sich ein Herz, geht zum Meister ins Haus und 
sagt: „Meister, ich kann ohne Gottes Wort nicht länger bestehen, 
und wenn ich mich den Sonntag in der Werkstatt abarbeite, bin 
ich die Woche nur ein halber Mensch; darum seid so gut und gebt 
mir den Sonntag meine Freiheit!" Der Meister sagt: „Nein, das 
geht nicht an; denn du hast die Aufsicht in der Werkstatt, und 
außerdem, wenn einer fortginge, könnten sie alle fortgehen, und 
dann stände das Geschäft still." — „Aber ohne Gottes Wort ver- 
fomm’ ich," sagte der Gesell, „und es geht einmal nicht mehr. 
Ihr wißt, faul bin ich nicht, und Euren Schaden will ich auch 
nicht; aber was nicht geht, das geht nicht. Und wofür bin ich 
ein Christ, wenn ich keinen Sonntag habe?" 
Den: Meister kam das wunderlich vor, und er hatte schon ein 
Wort von Narrenspossen und dergleichen auf der Zunge. Wie er 
aber dem ehrlichen Gesellen ins Gesicht sah, besann er sich und 
sagte: „Nun, meinethalben geh in die Kirche, so viel du willst. 
Aber eins beding' ich mir aus: Wenn viel zu thun ist, mußt du 
auch am Sonntage auf dem Platze sein." — Wer war froher als 
unser Gesell! Am nächsten Sonntag zieht er seinen blauen Rock 
an, nimmt das Gesangbuch unter den Arm und geht in die Kirche. 
Solch einen schönen Tag hat er lange nicht gehabt; ihn hat die 
Predigt und der Gesang ganz aufgeweckt, und unser Grobschmied
	        
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