Object: Geschichte des Mittelalters und der Reformationszeit (Teil 8)

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Beschreibungen und Schilderungen. 
Essen waren sie anspruchslos und mäßig. Dagegen liebten sie 
fröhliche'Trinkgelage, bei denen es oft ohne einen schweren Rausch 
nicht abging. Die Ärmeren tranken bei solchen Gelegenheiten 
Met, die Reicheren Stutenmilch. 
Von gewerblicher Tätigkeit ist wohl nicht viel die Rede ge¬ 
wesen. Es wird darauf hinausgekommen sein, daß die Bewohner 
einfachere Gegenstände sich selbst bereiteten, kunstvollere von aus¬ 
wärts bezogen; denn sie verarbeiteten zwar Leinen und Wolle, 
tauschten aber auch gegen die kostbaren Pelze, die das Wild ihrer 
Wälder lieferte, Wollenkleider ein, gewiß auch jene eigentümlichen 
mit Bronzeringelchen durchwehten Stoffe, von denen in den Grab¬ 
stätten bisweilen kleine Reste gefunden werden. 
Ihre Bewaffnung ist durchaus nicht als mangelhaft anzu¬ 
nehmen. Als der Deutsche Orden in das Land kam, waren sie 
mit Schild und Speer, mit Helm, Schwert und Streitaxt ausgerüstet, 
sodaß sie für die Ritter keine zu unterschätzenden Gegner bildeten. 
Die Schreibkunst war dagegen den alten Insassen Preußens 
völlig unbekannt. Es erregte ihre besondere Verwunderung, als 
die Deutschen ihnen zeigten, daß Abwesende durch Schriftzeichen 
ihre Gedanken mitzuteilen vermochten. Daß aber ihre Sitten nicht 
besonders roh gewesen sind, zeigt schon ihre in ausgedehntem 
Maße geübte Gastfreundschaft. In einer Zeit, wo Christen noch 
in grausamster Weise das Strandrecht ausübten, boten sie Schiff¬ 
brüchigen oder von Seeräubern Verfolgten ihre hilfreiche Hand. 
„Gar viel Lobenswertes,“ sagt der Schriftsteller Adam von Bremen, 
der im elften Jahrhundert lebte, „könnte von den Bräuchen der 
Preußen gesagt werden, wenn sie nur den christlichen Glauben 
hätten.“ 
Was die Körperbeschaffenheit anbetrifft, so werden die alten 
Preußen als Leute von ansehnlicher Größe geschildert, mit blauen 
Augen, weißer Gesichtsfarbe und schlichtem, hellblondem, bisweilen 
rötlichem Haar. Das hohe Alter, das sie zu erreichen piiegten, 
spricht für den festen Bau ihres Körpers. Ihre Sprache war der 
litauischen und lettischen nahe verwandt. Noch zur Zeit der 
Reformation war sie so verbreitet, daß Herzog Albrecht I. den 
Lutherischen Katechismus ins Altpreußische übersetzen ließ. Aber 
schon um 1625 wurde sie wenig gesprochen, und heut erinnern 
an sie nur noch Eigennamen wie Passarge und Perkun, sowie 
einzelne provinziale Ausdrücke; so stammt aus dem Preußischen 
das Wort „Karbatsche,“ das eine geflochtene Lederpeitsche be¬ 
zeichnet. 
Die Religion der alten Preußen bestand in einem Naturdienst;
	        
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