Full text: [Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband]] ([Teil 3 = Oberstufe, [Schülerband]])

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260. Eine Hand wäscht die andere. 
Ww. O vp. Horn. 
So sagt man wohl, wenn ein Schelm dem andern durchhilft, und mancher 
unehrliche Mensch sagls einem andern, dem er einen kleinen Gefallen 
gethan hat. — Pfui, so meint's das Sprichwort nicht! Denk einmal nach! 
Wenn ihr euch die Hände wascht, so wird, wenn ihr auch die eine nach 
allen Ecen im Wasser herumschlenkert, sie dennoch nicht rein; die anderes 
muß wischen und waschen, streicheln und kneten helfen! Dann geht's. Was 
lehrt euch das? — Nun, einer, der allein steht, ohne den treuen Beistand 
seiner Nachbarn und Freunde, bringt nichts fertig. Wenn aber diese sagen: 
Wart. Nhbar, ich komme und helfel“ dann wascht eine Hand die andere. 
Wenn! nun aber der Nachbar deiner Hilfe bedarf? Ei nun, dann muß 
wieder deine Hand der seinen waschen helfen, und es geht rein und herrlich 
ab. Verslauden? Der liebe Gott will, daß wir einander helfen und dienen 
sollen mu der Gabe, die wir empfangen haben. So soll eine Hand die 
andere waschen. 
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261. Die deutschen Nordseemarschen. 
Kohl. 
Das Marschland teilt sich von der Geest so scharf ab, daß man die 16 
Grenze meistens init einem Stocke angeben kanu. Ich sagte meinem Kutscher, 
er solle da anhalten, wo wir in die Marsch kämen; er that es, und es 
fand in daß die Pferde mit den Füßen schon in dem klebrigen Marsch— 
boden seckten, während die Hinterräder des Wagens noch auf dem san— 
digen, trockenen Geestwege standen. 
Nach anhaltendem Regenwetter wird der Marschboden zu einem so 
tiefen, klebrig-dickmusigen Schlamme, daß im Herbste zuweilen geradezu aller 
Verkehr in u Marschen aufhört. Muß man reisen, so ist man zufrieden, 
wenn man zwei Stationen an einem Tage zurücklegt. 
Obwohl ich die Marschen schon oft gesehen hatte, überraschte mich doch 
auch hier wieder der Anblick dieser eigentümlichen Bodengestaltung. Vor 
mir zur Rechten und zur Linken lagen unabsehbare Wiesenfluren, in der 
Nähe und Ferne mit Herden weidender Rinder bedeckt; selbst von den ent— 
legensten Weiden schimmerten noch wie Wiesenblümchen die bunten Rücken 
der Ochsen und Kühe. Wie die Rinder, so sind auch die Wohnungen der s0 
Leute veit und hreit verstreut. Sie liegen auf künstlich errichteten Hügeln 
von 3 bis 4,5 mm Höhe, die „Wurten“ genannt werden, und die den Be— 
wohnern und allen ihren Habseligkeiten als Zufluchtsort bei großen Über— 
schwemmungen dienen. Auf solchen Wurten wohnen nicht nur Friesen, son— 
dern überhaäupt alle Leute an der ganzen Küste von Schleswig und d 36 
bis nach Hamburg hin, an allen Üfern der unteren Elbe und Weser, der 
Jade, der Ems und in einem großen Teile der Niederlande. Wie Burgen 
ragen die Hügelwohnungen aus dem Grasmeere hervor, und man sieht bis 
wen an die Grenze des Horizonts noch viele solcher Burgen auftauchen. 
Auf diese Wurten wird auch alles mit hinaufgezogen, was die Feuchtig⸗ 
keit der Wiesengründe nicht verträgt, namentlich der Gemüsegarten. Kohl 
Uund Ruͤben werden überall an den Abhängen dieser Hügel gebaut. Im 
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