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in eine lange, dichte, weisse, nach dem Aufplatzen hervorquellende
Wolle gehüllt sind. Das Vaterland der krautigen Baumwolle ist
Afrika, das der baumartigen Ostindien. Jene wird jetzt in den
warmen Ländern der neuen Welt, diese besonders im Süden der
Vereinigten Staaten Nord-Amerikas angebaut. Die Pflanze verlangt
ein lockeres, leichtes, mit Sand gemischtes Land und ein nicht zu
trocknes Klima; bei Mangel an Regen bleibt die Wolle kurz. Die
Kapseln müssen jeden Morgen, ehe sie aufspringen, abgepflückt
werden. Die aus den Kapseln gewonnene Wolle wird entweder
durch die Hand oder durch die Maschine gereinigt und hierauf
in grosse Säcke verpackt, welche in einer Presse zu gewaltigen
Ballen zusammengedrückt werden. Die Einfuhr von Baumwolle
nach England beträgt jährlich über 600 Millionen Kilogramm.
Wir sind in Manchester. Ein riesiger Schlot und ein rie¬
siger Würfel von Bauwerk, über 800 Fenster auf jeder Seite, ragen
über alle Gebäude hervor. Wir treten in diese Riesenfabrik ein.
Durch einen Wirrwar von Wegen und Gängen kommen wir endlich
in das Arbeitszimmer des Eabrikherrn, in welchem uns ein Führer
beigegeben wird. Wir stehen zuerst vor zwei Ungeheuern, in deren
Innern es tobt wie ein gefesselter Sturm, der alle Wände seines
Gefängnisses zugleich vor Wut zersprengen möchte. Das sind die
Bläser. „Was thun die?" fragen wir den Jungen vor der einen
Maschine. „Das!" sagt er, indem er eine tüchtige Handvoll Roh¬
baumwolle aus dem Ballen reifst und sie, nachdem er uns den
Schmutz, die Holzstückchen und Knoten darin gezeigt, seiner
Maschine gleichsam zu fressen giebt. Sie zupft daran wie eine
Kuh, der man eine Handvoll Heu vorhält. Es ist verschwunden.
Der Junge holt einen ganzen Arm voll baumwollenen Schnee unter
der Maschine hervor und behauptet, dass dies die eben verzehrte
Handvoll sei. Wir zweifeln, und er zeigt uns, wie es zugeht. Im
Innern wird die Baumwolle mit rasender Kraft und Geschwindig¬
keit zerzaust und geworfelt, so dass alle fremdartigen Bestandteile
zu Boden fallen.
„Nun ist sie rein und reif zum Spinnen," denken wir. Das
ist ein starker Irrtum. Es war die erste von mehr als zwölf ähn¬
lichen Reinigungen. Die nächsten sehen wir unter den beiden
Rohbläsern, einer ganzen Reihe dampfzischender und fauchender
Höhlen, in welche der baumwollene Schnee wie ein milchiger Regen
herabströmt. Wir sehen in das Innere hinein und finden, dass die
Baumwolle gleich am Eingänge von einer furchtbaren Windkraft
in die dünnsten Nebel zerblasen wird. Stählerne Flügel bewegen
sich in diesem Raume so rasch, dass man sie nicht mehr unter¬
scheiden kann. Hier werden die Samenkörner und kleinen, fremd¬
artigen Bestandteile vollends abgesondert und durch Ritzen zu
Boden geschleudert, während die leichten Baumwollenfasern von
Wurfschaufeln im Fluge erhalten werden, bis sie am entgegen-
HMMPaI