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Zwecke der Verbindung; die Verfassung war hiernach allein auf den Krieg
nach außen und den Frieden im Innern gerichtet.
3. Staatliche Ordnung.
Die ersten staatlichen Ordnungen aller Deutschen gingen davon aus,
daß die Gesamtheit des Volkes, und sie allein, über Wohl und Wehe des—
selben zu entscheiden habe, und daß jeder da, wo es sich um das Ganze
und damit auch um sein eignes Schicksal handle, sein Wort in die Wag—
schale legen könne und müsse. Zu gewissen Zeiten, bei Neumond oder Voll—
mond, traten deshalb die freien Männer des Stammes zur großen Gau—
gemeinde zusammen, die ebensowohl zur Heerschau wie zur Beratung über
die allgemeinen Angelegenheiten des Volks und zum Gerichte diente. Be—
waffnet erscheinen sie, aber heiliger Friede wird sofort von den Priestern
verkündet und jede Störung desselben von ihnen streng bestraft. Lose
werden geworfen, um zu erfahren, ob die Beratung den Göttern genehm
sei; fällt das Los nach der Meinung der Priester günstig, so gebieien
sie Ruhe, und die Versammlung ist zur Beratung eröffnet. Dann werden
die Fürsten je nach ihrem Alter, ihrem Adel, ihrem Kriegsruhm, ihrer
Beredsamkeit gehört; doch gelten ihre Worte nur einem Rat, nicht einem
Machtgebot gleich. Mißfällt der Rat, so weist man ihn mit unwilligem
Geschrei ab; gefällt er, so schlagen sie mit den Frameen, — kleinen
Speeren, welche die Hauptwaffe der Deutschen bildeten, — zusammen. Denn
Waffenklirren war ihnen der am süßesten tönende Beifall. In solchen
Versammlungen wurde über Krieg und Frieden entschieden; hier wurden
die Fürsten erwählt, welche für die einzelnen Teile des Stammlandes,
die Untergaue, auch Hundertschaften genannt, zugleich als Heerführer und
Richter dienten. Hier wurden ferner die peinlichen Anklagen gegen Freie
zur Verhandlung gebracht. Doch galten als todeswürdige Verbrechen nur
Landesverrat, Überlaufen zum Feinde und Feigheit, denn sie allein waren
dem Gemeinwesen unmittelbar gefährlich und erregten nach der Meinung
des Volks den Zorn der Götter, der nur durch den Tod des Schuldigen
zu sühnen war. In diesen Versammlungen geschah auch die Aufnahme
der heranwachsenden Jünglinge in die Gemeinschaft der Stammgenofsen
durch die feierliche Verleihung von Schild und Speer. Überzeugte sich die
Gemeinde, der Jüngling werde die Waffen rühmlich zu führen wissen,
dann schmückte ihn ein Fürst oder der Vater oder einer der Verwandten
des Hauses mit diesen Zeichen höchster Manneswürde, und er trat aus
dem engen Verband des Hauses in das Leben der Gemeinde ein, wenn
er gleich, so lange er ohne eigenen Besitz war, an den Entscheidungen
derselben noch keinen Anteil nahm.
Wie die große Gaugemeinde die allgemeinen Angelegenheiten des
Paldamus, Lesebuch. 4. Teil. (Quarta). 6. Aufl.
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