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in einen Karren und fuhr uns in einem unterirdischen Felsengange ent¬
lang, der sehr schmal und so niedrig war, daß sich der Mann etwas
Lücken mußte. Dieser Gang führte nach einem andern Gange, der höher
und Lreiter war als der erste. Hier floß Wasser hell und klar, und
auf dem Wasser stand ein Kahn, der uns aufnahm. Der Mann setzte
sich mit seiner Lampe auf uns, und wir fuhren so in dem dunkeln
Gange lange Zeit fort. Du hast neulich hier am Nähtische deiner
Gespielin auch von einer Wasserfahrt erzählt, aber bei meiner Fahrt
wäre es dir gewiß etwas unheimlich geworden; denn da drunten blühet
kein Vergißmeinnicht an dem Wasser, da singt keine Schwalbe, da
schwimmt kein Fischlein munter auf und ab. Dumpf rauschte das
Wasser unter dem Kahne, und stieß er an die Felsenwände, so dröhnte
es hohl wie in einem Grabe. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir
fuhren. Endlich hielt der Kahn an. Ein großer Eimer kam an einem
Seile wie in einem Brunnen herunter; in diesen wurde ich mit mehre¬
ren meiner Gefährten geladen, und der Eimer dann in die Höhe ge¬
wunden. Unser Kahn muß recht tief unter der Erde gestanden haben,
denn es währte lang, ehe wir ans Tageslicht kamen. Bei unserer
Auffahrt geleitete uns anfangs der Schein des Lichtes im Kahn, aber
bald ging es ganz im Dunkeln weiter. Ich wünschte mir im Stillen
ein „Glück auf!", wie ich's oft von den Männem gehört hatte, wenn
sie zu Tage fahren wollten. Allmählich fing es an zu dämmern, und
mit jedem Schritte höher wurde es heller und heller, bis uns das
Sonnenlicht ganz beschien.
Diese Fahrt machte meinem unterirdischen Leber: ein Ende. Ich
wurde nun mit meinen Reisegefährten unter freiem Himmel auf einen
hohen Eisensteinhaufen gelegt, und weiß noch recht gut, wie ich mich
freute, wenn ich am Tage die Sonne erblickte und des Nachts die
vielen Sterne funkeln sah. Aber auf Freuden folgen oft Leiden. Nach
einiger Zeit brachte man uns auf breite, dünne Lagen von Reisholz,
welche angezündet wurden. Mein Freund, der Schwefel, der bis
dahin nicht von mir gelassen, ja von den ältesten Zeiten her in Freud
und Leid mir seine Freundschaft stets bewahrt hatte, konnte die Hitze
nicht vertragen und mußte sich von mir trennen. Er ging als Dampf
in die Höhe, und ich habe nichts wieder von ihm gehört. Ich hielt
standhaft auf dem Scheiterhaufen aus, wurde aber zuletzt ganz mürbe
geröstet. Doch das war noch gering gegen das, was mir nun wider¬
fuhr. Man brachte uns nämlich in eine Pochmühle, in welcher
schwere, mit Eisen beschlagene Stampfen waren, die so unbarmherzig
auf uns herumtraten, daß wir ganz zerstückell wurden. Aus dieser
Martermühle fuhr uns ein Mann nach einem Ofen, der wie ein hoher
runder Thurm dastand. In viereckigen Kasten wurden wir nach seiner
obern Öffnung gewunden. Gelbe und blaue Feuerflammen sprüheten
hier Tag und Nacht ohne Unterlaß aus der zirkelrunden Öffnung und
leuchteten, hoch in die Höhe schlagend, wett in die dunkle Nacht hinein.
Schon manche Ladung aus der Pochmühle mußte in den Höllenschlund
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