102 160. Die zwei MäuSlein. 161. Der Hamster und die Ameisen. 163. Am Morgen rc.
160. (161.) Die zwei Mäuslein.
„Nun laßt uns ganz in Freuden leben,
Von Tellerchen zu Schüsseln wandern!"
Sprach selig eine Maus zur andern,
Als einst ein Festschmaus war gegeben
Und alles, ohne abzuräumen,
Sich hingelegt zum süßen Träumen.
Doch eh' die Mäuslein sich's versah'«,
Schlich eine Katze leis' heran
Und griff im Sprung sie alle beide
Inmitten ihrer Lust und Freude.
Bedenk', wo Lust zu reichlich ist,
Da lauert oft Gefahr und List!
161. (163.) Der Hamster und die Ameisen.
„Ihr armseligen Ameisen,“ sagte
ein Hamster, „verlohnt* es sich der
Mühe, daß ihr den ganzen Sommer
arbeitet, um ein so weniges einzu¬
sammeln? Wenn ihr meinen Vorrath
sehen solltet!“
„Höre,“ antwortete eine Ameise,
„wenn er größer ist, als du ihn brauchst,
so ist es schon recht, daß die Menschen
dir nachgraben, deine Scheuern aus¬
leeren und dich deinen räuberischen
Geiz mit dem Leben büßen lassen!“
Lessing.
162. (164.) Am Morgen reich, am Abend arm.
Im Jahre 1535 gingen einmal zwei Handwerker aus der Stadt
Erfurt hinaus auf's Dorf zu einem reichen Bauer und wollten Korn
von ihm kaufen; denn es war theuere Zeit und sie wußten, daß bei
jenem der ganze Boden schwer voll Frucht lag. Als sie aber hinaus¬
kamen, hielt der Bauer sein Korn so theuer, daß es die Leute nicht
bezahlen konnten. „Denkt doch nur," sagten sie zu ihm, „wie schön das
Getreide auf der Flur steht; in vier Wochen ist weit und breit reiche
Ernte, da wird das Korn wohlfeil genug werden; wollt ihr das eurige
länger liegen lassen?" — „Ja," sagte der Bauer; „draußen aufdemFelde
Oer gemeine Hamster.
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