Full text: Deutsches Lesebuch für das mittlere Kindesalter (1, [Schülerband])

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Zustände im sinkenden Römerreich. 
91. Zultände im linkenden Römerreich. 
Stäckel, Die Germanen im römischen Dienste. 
(Programm des Kaiser Wilhelm-Realgymn. in Berlin 1880.) 
Mancherlei Ursachen wirkten zusammen, die den Verfall des römischen 
Reiches herbeiführten. 
Der Absolutismus, welchen die Kaiser im Reiche übten, brachte diesem 
zunächst eine kostspielige Hofhaltung, die meist ungeheure Summen verschlang 
und den Untertanen das verderblichste Beispiel gab. Als später die Reichs- 
teilungen eintraten oder Usurpatoren sich erhoben, wurden die Kosten dadurch 
noch vervielfältigt, daß jede Hofhaltung ihre Großwürdenträger und eine Unzahl 
von Höflingen aller Art erforderte. 
Das sinkende Reich wurde verwaltet von einer anspruchsvollen, teilweise 
ruchlosen Bureaukratie, deren Macht überaus groß war. Die Verworfenheit 
des Zeitalters kommt gerade in ihr recht zum Ausdruck. Kriechende Schmeichelei 
nach oben, wobei aber Betrug und Verrat auf jede Weise geübt werden; ein 
Ehrgeiz ohnegleichen, Ränkespiele jeder Art um vorwärts zu kommen und 
Höhere zu stürzen — nach unten aber Brutalität, Hartherzigkeit und eine 
Habgier, die jeder Bestechung offen stand. Mehr und mehr wußte sich diese 
Bureaukratie zwischen Fürst und Volk zu schieben, dem Herrscher die wahre 
Lage der Dinge zu verschleiern oder ganz zu verhüllen. Nur erfreuliche Berichte 
durften an das geheiligte Ohr des Kaisers schlagen; die Gefahr für jeden, der 
die Wahrheit zu sagen wagte, war groß. Läßt sich auch die Bemerkung machen, 
daß diejenigen Regenten, die durch Wahl aus dem Heere hervorgingen, oft 
durch Erfahrungen, die sie mitbrachten, zu einem richtigeren Urteil befähigt 
waren als die im Purpur geborenen, so zeigt sich doch, daß auch sie bei 
längerer Regierung den Folgen des herrschenden Systems nicht entgingen. 
Man begreift unter diesen Verhältnissen, daß Diokletian nicht ganz mit Unrecht 
klagte: „Die Kaiser wollten zumeist das Gute und taten ihr Bestes; doch die 
Nichtswürdigkeit ihrer Beamten ließ sie oft in gutem Glauben das Schlimmste tun." 
Es gab nichts Feileres und Gefügigeres als den römischen Richterstand, 
nichts Härteres als das römische Gerichtswesen. Die Todesstrafe wurde mit 
einer Leichtigkeit verhängt, die für eine schwindende Bevölkerung doppelt ver- 
hängnisvoll war. Noch als beneidenswert galt der Tod durch das Beil; 
Scheiterhaufen und qualvolle Martern waren häufig. Die Folter wurde sofort 
angewendet, selbst gegen Zeugen; nur wenige Bevorrechtete waren von ihr 
befreit. Geld oder ein vornehmer Freund taten schließlich mehr bei dem 
Richter als die Unschuld. 
Das Militär kostete ungeheure Summen; namentlich waren die Gehälter 
der höheren Offiziere sehr bedeutend, ebenso die der kostbar ausgerüsteten Palast-
	        
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