Full text: Deutsches Lesebuch für das mittlere Kindesalter (1, [Schülerband])

107. Frankfurt am Main. 
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Das hohe Kaiserbild erinnert uns an die Sage vom Ursprünge der Stadt 
und ihres Namens. 
„Die besten seiner Helden", so erzählt sie einer unserer Dichter, „sie 
lagen in Sachsen todt, da floh Carolus Magnus, der Kaiser, in großer 
Noth. „„Laßt eine Furt uns suchen längs hin am schönen Main! O weh, 
da liegt ein Nebel, der Feind ist hinterdrein!"" Nun betet Kaiser Carol 
aus Knien an seinem Speer, da theilte sich der Nebel, eine Hirschin ging 
daher, die führte ihre Jungen hinüber zum andern Strand; so machte 
Gott den Franken die rechte Furt bekannt. Hinüber zogen alle wie Israel 
durch's Meer; die Sachsen aber fanden im Nebel die Furt nicht mehr. 
Da schlug der Kaiser Carol mit seinem Speer den Sand: „„Die Stätte 
sei hinfüro der Franken Furt genannt."" Er kam da bald zurücke mit 
neuer Heeresmacht, womit er der Sachsen Lande zu seinem Reich gebracht. 
Doch dort am Main erpranget nun eine werthe Stadt, die reich ist aller 
Güter und edle Bürger hat. Es ward da mancher Kaiser gekrönt mit 
Carols Krön' und feierlich gesctzet auf goldgestickten Thron. Da briet 
man ganze Rinder, es strömte der Fülle Horn, es schöpfte jeder Arme 
Wein sich aus reichem Born. Im Römer füllte dem Kaiser der Erzschenk 
den Pokal; mit Kaiserbildern wurden bedeckt alle Wände im Saal. Be¬ 
deckt sind alle Wände bis an den letzten Saum, kein neuer Herrscher fände 
zu seinem Bildnis Raum. Der erste deutsche Kaiser gab Namen dieser 
Stadt, die auch den letzten Kaiser in ihr gekrönet hat." 
Gehen wir vom „Freihafen" ein wenig nordwärts in die Stadt hinein, 
so finden wir auf einem hochgelegenen, freien Platze, dem Römerberge, 
das alterthümliche Rathhaus, „Römer" genannt. Hier sind, wie wir 
schon oben durch den Dichter erfahren haben, viele deutsche Kaiser gekrönt 
und festlich bewirtet worden; der Kaisersaal zeigt an seinen Wänden die 
Bilder sämmtlicher Herrscher Deutschlands von Konrad I. bis Franz II. 
Hinter dem Römer ragen majestätisch die Hanptkirche der Stadt, die 
Paulskirche, und der gefällige Bau der neuen Börse hervor. Noch etwas 
weiter nördlich finden wir die durch manchen Prachtbau ausgezeichnete 
Straße „Zeil", die schönste in Frankfurt. Nahe dem Wcstende dieser 
Straße ist der Roßmarkt mit einem schönen Denkmale Gutenbergs, des 
Erfinders der Bnchdruckerknnst; es schaut gegen eine Allee hin, wo sich 
das kunstvoll aus Erz gegossene Standbild Goethes, des berühmtesten 
Frankfurter Kindes, geb. 1749, erhebt. — Kein Hesse sollte cs versäumen, 
das Hcssendenkmal vor dem Friedberger Thor Frankfurts zu be¬ 
suchen. Friedrich Wilhelm II. von Preußen hat es den todesmutigen 
Hessen, die hier im Kampfe für das Vaterland siegend fielen, errichten 
lassen. Unterstützt von preußischen Truppen, hatten die Hessen am 2. De¬ 
cember 1792 mit unwiderstehlicher Tapferkeit die von den Franzosen eroberte
	        
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