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101. Himmel und Erde.
„Es ist ein alter Jude," sprach der Sohn, „und er ist schwer." —
„Gedenke des barmherzigen Samariters!" erwiderte der Vater;
„der Jude ist ein Mensch wie wir und ist oft besser und frömmer
als mancher Christ."
Sie luden den erstarrten Greis auf die Schultern, brachten
ihn in ihre Hütte, rieben ihn mit Schnee, flößten ihm lauwarmen
Thee ein, näherten ihn allmählich der Wärme und hatten die
Freude, den alten Mann in das Leben zurückzubringen.
Dieser erholte sich so schnell, daß er am andern Morgen seine
Reise fortsetzen konnte. Er war arm und konnte nur mit einem
Händedruck lohnen. Dem braven Nachtwächter war dies genug.
Ueberdies wurde ihm noch von der Regierung zu Mannheim ein
Geschenk überreicht. —
Jeder Mensch sei bereit, seinem Nächsten zu helfen und bei¬
zustehen aus allen Kräften. Scheue doch niemand dabei weder
Mühe noch Opfer; es wird ihm durch das eigne Herz und einst
im Himmel reichlich vergolten werden!
101. (98.) Himmel und Erde.
Wie ist doch die Erde so schön, so schön!
Das wissen die Vögelein;
Sie haben ihr leichtes Gefieder
Und singen so fröhliche Lieder
In den blauen Himmel hinein.
Wie ist doch die Erde so schön, so schön!
Das wissen die Flttss’ und die See'n;
Sie malen im klaren Spiegel
Die Gärten und Stadt’ und Hügel
Und die Wolken, die drüber geh’n.
Und Sänger und Maler wissen es
Und Kinder und andere Leut’,
Und wer's nicht malt, der singt es,
Und wer’s nicht singt, dem klingt es
In dem Herzen vor lauter Freud’.
Reinick.