Full text: [Teil 1 = Mittelstufe, [Schülerbd.]] (Teil 1 = Mittelstufe, [Schülerband])

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Geschichte der alten Welt. 
Oligarchie über, weshalb sich das von jeder Mitherrschaft ausgeschlossene 
Volk (Demos), sobald es zum Bewußtsein seines Zustandes und seiner 
Rechte gelangte, gegen das Herrenthum der bevorrechteten Geschlechter auf¬ 
lehnte. Da diese aber im Alleinbesitz der Waffen und Kriegsübung waren, 
so siegten die Demokraten gewöhnlich erst dann, wenn ein ehrgeiziger, reicher 
Adeliger sich von seinen Standesgenossen trennte, an die Spitze des Volks 
trat, sich der Burg bemächtigte und dann das Aristokraten-Regiment stürzte. 
Umgeben von einer bewaffneten Schaar treuer Anhänger konnte sich dann ein 
solcher Volksführer (Demagog) leicht die Oberherrschaft aneignen, da 
ihm das Volk aus Erkenntlichkeit für seinen Beistand gegen die Oligarchen 
nicht selten bei diesem Streben behülflich war und sich vorerst mit naher lie¬ 
genden Gütern, wie Ackervertheilung, Schuldenerlaß, Ehegemeinschaft und 
allgemeiner Rechtsgleichheit begnügte. So kam es, daß im 7. und 6. Iahrh. 
in den meisten griechischen Städten Einherrschafren sich bildeten, deren In¬ 
haber als Tyrannen bezeichnet werden, worunter aber nicht immer gewalt- 
thätige, grausame Regenten, sondern nur Alleinherrscher (Usurpatoren) 
in einem vorher republikanischen Staate zu verstehen sind. Mehrere von die¬ 
sen Tyrannen besaßen große Herrschergaben und führten eine glanzvolle Re¬ 
gierung. Um das Volk, dem sie ihre Erhebung zu verdanken hatten, zu be¬ 
schäftigen, ließen sie prächtige Gebäude aufführen; ihre Reichthümer gaben 
ihnen die Mittel, Künstler, Dichter und Weise in ihre Nähe zu ziehen und 
deren schöpferische Kraft anzuregen; glänzende Hofhaltungen trugen zur 
Blüthe der Städte bei. Aber die Herrschaft der Tyrannen war von kurzer 
Dauer, so sehr auch die einzelnen sich bemühten, durch Gastfreundschaften und 
Verschwägerungen unter einander und durch Bündnisse und Verträge mit 
auswärtigen Königen ihre Macht sicher zu stellen. Die Oligarchen suchten sie 
aus alle Weise zu stürzen und wurden dabei von den Spartanern, die den 
aristokratischen Verfassungen allenthalben Vorschub leisteten, unterstützt. Oft 
vergaßen auch die in der Herrschaft herangewachsenen Söhne, auf welche 
Weise ihre Väter zu dem Besitz gelangt waren, setzten die dem Volke schul¬ 
digen Rücksichten bei Seite und wurden gewaltthätige Despoten. Dies hatte 
alsdann ihren Sturz zur Folge, wobei sich das Volk mit den Edelleuten auf 
kurze Zeit verband, aber nur um nach ihrer Vertreibung eine vollständige 
Demokratie zu begründen. Die berühmtesten Tyrannen waren Periander 
von Korinth, einer der sieben Weisen, Polykrätes von Samos und Pei- 
-sisträtos von Athen. Die beiden ersten sind durch dichterische Sagen berühmt. 
Periander hatte zum Freund den Sänger und Citherspieler Arion von Les¬ 
bos, der sich lange in Korinth aufhielt. Um seine Kunst in weitern Kreisen 
hören zu lassen, durchzog er Italien und Sicilien und wollte dann mit 
den erworbenen Gaben von Tarent nach Korinth zurückkehren. Unterwegs 
faßten die Seeleute, lüstern nach seinen Reichthümern, den Plan, ihn ins 
Meer zu stürzen. Umsonst bot ihnen Arion alle seine Schätze als Preis seines
	        
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