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als der Regen stärker ward und endlich so stark, als ob man mit Mulden
vom Himmel gösse, schwang er den Degen immer schneller und blieb so
trocken, als säße er unter Dach und Fach. Wie der Vater das sah, erstaunte
er und sprach: „Du hast das beste Meisterstück gemacht, das Haus ist dein.“
3. Die beiden andern Brüder waren damit zufrieden, wie sie vorher
gelobt hatten, und weil sie sich einander so lieb hatten, blieben sie alle
drei zusammen im Haus und trieben ihr Handwerk; und da sie so gut
ausgelernt hatten und so geschickt waren, verdienten sie viel Geld. So
lebten sie vergnügt bis in ihr Alter zusammen, und als der eine krank
ward und starb, grämten sich die zwei andern so sehr darüber, daß sie
auch krank wurden und bald starben. Da wurden sie, weil sie so geschickt
gewesen waren und sich so lieb gehabt hatten, alle drei zusammen in ein
Grab gelegt. Brüder Grimm.
106. Vom klugen Schneiderlein.
1. Es war einmal eine Prinzessin gewaltig stolz; wenn ein Freier kam,
so gab sie ihm etwas zu raten auf, und wenn er's nicht erraten konnte,
so ward er mit Spott fortgeschickt. Sie ließ auch bekannt machen, wer
ihr Rätsel löste, sollte sich mit ihr vermählen, und möchte kommen, wer
da wollte. Endlich fanden sich auch drei Schneider zusammen, davon
meinten die zwei ältesten, sie hätten so manchen feinen Stich getan und
hätten's getroffen, da könnt's ihnen nicht fehlen, sie müßten's auch hier
treffen; der dritte war ein kleiner, unnützer Springinsfeld, der nicht ein—
mal sein Handwerk verstand, aber meinte, er müßte dabei Glück haben,
denn woher sollt's ihm sonst kommen. Da sprachen die zwei anderen zu
ihm: „Bleib' nur zu Haus', du wirst mit deinem bißchen Verstande nicht
weit kommen.“ Das Schneiderlein ließ sich aber nicht irre machen und
sagte, es hätte einmal seinen Kopf darauf gesetzt und wollte sich schon
helfen, und ging dahin, als wäre die ganze Welt sein.
2. Da meldeten sich alle drei bei der Prinzessin und sagten, sie sollte
ihnen ihr Rätsel vorlegen: es wären die rechten Leute angekommen, die
hätten einen feinen Verstand, daß man ihn wohl in eine Nadel fädeln
könnte. Da sprach die Prinzessin: „Ich habe zweierlei Haar auf dem
Kopfe, von was für Farben ist das?“ — „Wenn's weiter nichts ist,“
sagte der erste, „es wird schwarz und weiß sein wie Tuch, das man
Kümmel und Salz nennt.“ Die Prinzessin sprach: „Falsch geraten; der
zweite soll antworten.“ Da sagte der zweite: „Ist's nicht schwarz und weiß,
so ist's braun und rot wie meines Herrn Vaters Bratenrock.“ — „Falsch ge—
raten,“ sagte die Prinzessin; „der dritte ist jetzt an der Reihe, dem seh' ich's
Rheinisch-westfälisches Hilfsschullesebuch. 11. Teil.