auch, und obgleich er vor Durst verschmachtete und in seinem Schmerze
die grünen Grashalme abriß, berührte er doch nicht die Blume.
7. Es wurde Abend, und noch kam niemand, dem armen Vogel
einen Wassertropfen zu bringen. Da streckte er seine hübschen Flügel
aus und schüttelte sie krampfhaft; sein Gesang war ein wehmütiges
Piep-piep; das kleine Haupt neigte sich der Blume entgegen, und des
Vogels Herz brach aus Mangel und Sehnsucht. Da konnte die Blume
nicht, wie am vorhergehenden Abend, ihre Blätter zusammenfalten
und schlafen; sie hing krank und traurig zur Erde nieder.
8. Erst am nächsten Morgen kamen die Knaben, und als sie den
Vogel tot erblickten, weinten sie, weinten viele Tränen und gruben
ihm ein niedliches Grab, das mit Blumenblättern verziert wurde.
Des Vogels Leiche kam in eine rote, schöne Schachtel; königlich sollte
er bestattet werden, der arme Vogel! Als er lebte und sang, vergaßen
sie ihn, ließen ihn im Käfig sitzen und verdursten; nun bekam er
Schmuck und viele Tränen. Aber das Rasenstück mit dem Gänse¬
blümchen wurde in den Staub der Landstraße hinausgeworfen. Keiner
dachte an die Blume, die doch am meisten für den kleinen Vogel gefühlt
hatte, und die ihn so gern trösten wollte.
Hans Christian Andersen. (Sämtliche Märchen.)
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