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Die Zeit des französischen Bürgerkönigthums. 
4. Die innere Lebensthätigkeit der Völker ans dem Gebiet der 
Religion mtb Kirche. 
t. Die katholische Kirche. 
§. 812. D er Süden. Bei der obwaltenden Beschränkung der politischen 
Freiheit warfen sich die unruhigen Geister auf das Gebiet der Kirche. In der 
katholischen Kirche bildete die trotz aller Angriffe unerschütterte altkirchliche 
Autoritatund der herkömmliche Geist der Unwandelbarkeit einen Damm gegen 
kecke Neuerungsversuche; allein ihr Strauben gegen alle zeitgemäße Reformen, 
ihre Huld und Nachsicht gegen mittelalterlichen Aberglauben und Wunderglauben 
und ihre feindselige Opposition gegen alle Errungenschaften der Revolution, der 
freien Forschung und der liberalen Bestrebungen, entfremdete ihr die Aufgeklärten 
im Volke und rief selbst in einem Theil des Priesterstandes eine freisinnige Rich¬ 
tung hervor; wahrend ihre unbedingten, als Papisten und Ultra montane 
bezeichneten Anhänger desto schroffer das mittelalterliche Kirchenthum mit seiner 
Sinnlichkeit, seiner Glaubensgluth und seinem Ketzerhaß gegen die Neuerungs¬ 
bestrebungen in Schutz nahmen, die Vernunft unter den Glauben gefangen gaben 
und nur in unbedingter Hingebung unter die Aussprüche der Curie Heil und 
Glück sahen. 
Italien. Am harmlosesten äußerte sich dieser ultramontane Katholicismus in Italien, wo 
„die sinnliche Gestalt des Heiligendienstes Bedürsniß ist," wo „Illumination, Raketen und 
Kanonenschläge zum Gottesdienst, alljährlich wiederholte Wunder zurFestsreude gehören," 
wo „der Klerus im viclgeschäftigen süßen Nichtsthun nur der Gipfel des Volkslebens ist 
und in der Sicherheit seines Besitzes freundlich gesinnt." Hier waren selbst die Bemühun¬ 
gen der liberalen Patrioten und des „jungen Italiens," das Volk aus dem erschlaffenden 
Aberglauben und den Banden der Priesterschaft zu reißen und für nationale Selbständig¬ 
keit und volksthümliche Verfassung zu begeistern, von keiner großen Wirksamkeit. Erst in 
neuester Zeit hat die «katholische Richtung auch in Italien einigen Boden gewonnen. 
Spanien Auch in Spanien und Portugal war der römische Katholicismus die volksthüm- 
Portngal. liche Religion der untern Klaffen, nur nahm er unter den politischen Parteiungen und „den 
Festen der Inquisition" einen düsteren und leidenschastlichern Charakter an. Da sich in 
Spanien der apostolische Thron F er d i n a nd s VII., in Portugal die absolute Königs- 
gewalt Don Miguels hauptsächlich aus den Klerus, auf Inquisition und Jesuiten 
stützten, so bewirkte der Sturz der unumschränkten Regkerungsformen durch die liberale 
Cortesversassung einen mächtigen Rückschlag aus die Kirche. Zur Zeit, als in Spanien der 
matthcrzige, abergläubische Don Carlos im Bunde mit Mönchen, Priesterschaft und 
Pfaffenthum um den Thron kämpfte und seine Gegner, Christin« und ihre Tochter 
L sab ella, sich den Liberalen zuwendeten und durch Einberufung der Cortes einen Halt 
in der Nation zu erlangen strebten, rächte sich das Volk für die lange geistliche Knechtschaft 
durch Zerstörung vieler Klöster, durch Ermordung von Mönchen und Priestern, die es, von 
1835—37. Gerüchten über Vergiftung aufgeregt, für die Urheber der Cholera hielt. Gereizt durch das 
Widerstreben des Klerus gegen die demokratische Umgestaltung des spanischen Staatswe- 
scns schritten endlich die Cortes zu Maßregeln, wie einst die Pariser Nationalversamm¬ 
lung der neunziger Jahre. Sie zogen sämmtliche Klöster ein und verkauften die heiligen 
Geräthe, um der Noth des Staats zu wehren und die Kriegskosten zu bestreiten ; sie hoben 
die Zehnten auf und erklärten das Kirchengut für Eigenthum der Nation; Inquisition und 
Jesuiten hörten auf. Umsonst erklärte der Papst die kirchenräuberischen Beschlüsse für un-
	        
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