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Woche auf den heutigen Tag gefreut, an welchem sie ausruhen und
sich schmücken können. Äber den Zaun hinweg plaudern die Nach¬
barn miteinander, während die Kinder, sauber gekämmt und gewaschen,
vor den Türen sitzen. Rein geputzt schauen die Fenster nach der
Straße, und weißer Sand bezeichnet überall den Eingang zu den
Läufern im Dorfe.
2. Auch in der Stadt ruht das geschäftige Treiben. Das
geräuschvolle Leben auf den Straßen hat einer feierlichen Stille
Platz gemacht. Kein schwer beladener Wagen knarrt durch die ge-
psiasterten Straßen, kein bepackter Träger schwitzt und seufzt unter
der schweren Last. Die Kaufläden sind geschlossen, die Schaufenster
verhängt, selbst die Schultüren sind nicht geöffnet. Nur eine Tür,
welche die ganze Woche hindurch geschlossen war, hat sich weit auf¬
getan — es ist die Tür zum Gotteshause. Feierlich rufen die
Glocken der Kirchen die Scharen der Andächtigen herbei, und durch
die Straßen strömen die Kirchgänger in Feierkleidern, still und ernst,
mit dem Gesangbuche in der Land, nach dem Lause des Lerrn, wo
auf dem Altare schon die Lichter angezündet sind und feierliche Orgel¬
töne die Eintretenden empfangen.
3. In Feld und Wald ist es heute auch anders als an den
Wochentagen. Da wird kein Baum gefällt, kein Wild aus seinem
Verstecke aufgeschreckt. Axt und Säge ruhen. Die Lolzhauer sitzen
daheim, und kirchenstill ist es im Walde. Ohne Furcht schreitet der
Lirsch durch das Gebüsch, fröhlich springt das Eichhörnchen von
Baum zu Baum, und ungestört singt der Vogel seine Lieder in den
Zweigen. Nur der Landmann kommt auch heute heraus auf das
Feld, um zu sehen, wie Gott der Lerr den ausgestreuten Samen
hat wachsen lassen. Er freut sich schon im voraus des Erntesegens,
und die Lerche scheint ihm heute fröhlicher zu singen und die Sonne
freundlicher zu scheinen denn je. Karl Gude.
119. Der Händler.
Sjreun schlug die Uhr, als Heini endlich wieder aufwachte und ganz
^ v verwundert die Augen rieb. Da war er also doch nicht auf
dem Mond; das hatte er nur geträumt. Leise geht die Tür auf, und die
Mutter guckt hinein in die Schlafstube; da sitzt Heini schon im Bett
und lacht. „Sieh da, der Junge ist ja auch schon munter", sagt sie
und hilft ihm schnell beim Anziehen. Dann holt sie den Kaffee aus
der Küche. Sie hat ihn auf den Herd gestellt, damit er warm bleibt;
denn der Vater ist schon lange wieder fort. Klapp, schlägt da die
Schulze, Deutsches Lesebuch f. Hilfsschulen. 9