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Wie die Spruchdichtung insbesondere sich der verschiedenen Hand— 
werkszweige bemächtigt hat, davon enthält unser Lesebuch zahlreiche Proben.*) 
Fast jeder Handwerkerzweig hat von jeher seine besonderen Lieder. Am 
meisten besungen worden ist wohl das älteste eigentliche Handwerk, das 
Gewerbe der Schmiede, daneben das von alters her schon sehr wichtige Bau⸗ 
handwerk in seinen verschiedenen Zweigen. **) 
Daß die neuere Liederdichtung auch die stete Umbildung im Gewerbe, 
den Untergang verschiedener Handwerkszweige, nicht unberucksichtigt läßt, 
zeigen u. a. die folgenden modernen Gedichte: 
Die Nagelschmiede. 
Verfallen steht im Waldesgrund 
am Saumweg eine Schmiede, 
d'raus tönt nicht mehr der Hammer— 
schlag 
zum arbeitsfrohen Liede. 
Nicht weit entfernt ragt in die Luft 
ein langgestreckt Gebäude, 
dort walten im Maschinenraum 
berußte Hammerleute. 
Mit Nägeln aus der Dampffabrik 
ward zu der Sarg geschlagen, 
der den verarmten Hammerschmied 
zu Grabe hat getragen. 
Geinrich v. Reder.) 
Bei einem Webermeister saß 
als Kind ich halbe Tage lang 
und trieb bald dies und trieb bald das, 
und lauschte, wenn ein Lied er sang 
zu seines Webstuhls Klapperklang. 
Er war ein lustiger Gesell, 
der weit gewandert, viel gesehn, 
sein Auge blitzt ihm doppelt hell 
bor Lust, konnt er am Webstuhl stehn 
und prüfend um die Kette gehn. 
Der Webstuhl war sein Heiligtum: 
dran saß und wob sein Urahn schon, 
der ganzen Weberzunft zum Ruhm, 
ihn erbte stets der ält'ste Sohn, 
und jedem trug er reichlich Lohn. 
Die Jahre nahmen ihren Lauf, 
der Meister kannte keine Not, 
sein kostbar Werk man gern zu Kauf 
den Frauen fremder Länder bot; 
von Golde war's und purpurrot. 
Ich ließ den Mann in seinem Glück, 
ein Weib, zwei Kinder um ihn her. 
Nach Jahren kehrt' ich erst zurück, 
Der Dampf. 
war weit gereist von Fels zu Meer, 
da fand ich seine Hütte leer. 
Man wies mich in ein großes Haus, 
mit trüben Fenstern, schmal und klein, 
dort ging das Laster ein und aus; 
mit Widerstreben trat ich ein, 
„Vier Treppen hoch!“ — Hier muß 
es sein. 
Ein Greis, dem Trunk ergeben, saß 
zerlumpt auf seinem Lagerstroh, 
und mit den hohlen Augen maß 
er mich und grinste tierisch roh. 
War das der Meister, einst so froh? 
Er war's. — Dort stand der Web— 
stuhl ja, 
derselbe, den ich einst gekannt. 
Bewegt trat ich dem Alten nah 
und reichte fragend ihm die Hand: 
„Wie hat sich so dein Glück gewandt?!“ 
„Der Dampf hat mich so weit ge— 
bracht!“ 
lallt trunken er und ballt die Faust. 
„Der Dampf mit seiner Teufelsmacht! 
) Vergleiche z. B. die Lesestücke Nr. 78:. Das Handwerk in Sprüchen, Nr. 93:. 
Das Vauen im Volksmunde und Nr. 123: Schlosser und Schmied im Volksmunde. 
**) Unser Lesebuch bietet auch hier eine zahlreiche Auswahl. 
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