Full text: [Teil 3 = Kl. 7, [Schülerbd.]] (Teil 3 = Kl. 7, [Schülerbd.])

40. 6ulenfpie<jel und der Schuhmacher. 
Von Hermann SchaffTtcin. 
Till Eulenspiegel. Ausgewählt und neu übersetzt. Schaffsteins Volksbücher. 3. Bd. 
2. Auflage. Cöln o. J. 8. 43. 
«ulenspiegel kam zu Braunschweig auf dem Kohlenmarkt zu einem 
Stiefelmacher, der hieß Christoffel. Den fragte er: „Wollt Ihr mir 
diese Stiefel spicken, daß ich sie bis Montag könnte wiederhaben?" Der 
Meister sagte: „Ja." Eulenspiegel ging fort und dachte an nichts Arges. 
Da sprach des Meisters Knecht: „Das ist Eulenspiegel, der jedermann 
betrügt. Wenn Ihr ihn das hießet, was er Euch geheißen hat, er tüte 
es gewiß." Der Meister fragte: „Was hat er mich denn geheißen?" Der 
Knecht sprach: „Er hieß Euch die Stiesel spicken und meinte schmieren. 
So würde ich sie spicken, wie man die Braten spickt." Der Meister tat also. 
Er schnitt Speck und spickte ihn durch die Stiefel, wie durch einen Braten. 
Eulenspiegel kam des Montags und fragte, ob seine Stiefel fertig 
wären. Der Meister sagte: „Ja, da hängen sie an der Wand." Eulen¬ 
spiegel sah, daß die Stiefel so gespickt waren, fing darob an zu lachen 
und sagte: „Was seid Ihr für ein wackerer Meister, da Ihr genau das 
gemacht habt, was ich Euch geheißen habe. Was wollt Ihr dafür 
haben?" Der Meister sagte: „Einen alten Groschen." Eulenspiegel gab 
ihm den alten Groschen, nahm seine gespickten Stiefel und ging hinweg. 
Der Meister und sein Knecht sahen ihm nach, lachten und sprachen 
untereinander: „Wie konnte ihm das geschehen! Nun ist er geäfft!" 
Indem läuft Eulenspiegel mit dem Kopfe und den Schultern in das 
Glasfenster, denn die Stube war zu ebener Erde an der Straße, und 
spricht zu dem Meister: „Was ist das für Speck, den Ihr zu meinen 
Stiefeln gebraucht habt?" Der Meister verwunderte sich und sah mit 
dem Knecht, daß Eulenspiegel im Fenster lag und mit Kopf und Schultern 
die Butzenscheiben wohl halb herausstieß, daß sie in die Stube fielen. 
Da ward er zornig und rief: „Willst du Störenfried das wohl lassen, 
sonst schlag' ich dich vor den Kopf!" Eulenspiegel erwiderte: „Lieber 
Meister, zürnet nicht! Ich wüßte nur gern, was das für Speck ist, mit 
dem Ihr meine Stiefel gespickt habt." Der Meister aber ward noch 
zorniger und schrie ihm zu, er solle ihm das Fenster unzerbrochen lassen. 
„Wollt Ihr es mir nicht sagen, so muß ich gehen und einen andern 
fragen." Damit sprang Eulenspiegel aus dem Fenster. 
Der Meister fuhr nun den Knecht an und sprach: „Den Rat gabst 
du mir. Nun gib mir Rat, daß mein Fenster wieder gemacht wird!" 
Der Knecht schwieg. Der Meister aber ward unwillig und sprach: „Wer 
hat nun den andern geäfft? Ich habe immer sagen hören: Wer mit 
Schälken beladen ist, der soll die Riemen abschneiden und sie lassen gehn. 
Hätte ich das getan, so wäre mein Fenster ganz geblieben!" Der Meister 
wollte die Fenster bezahlt haben, darum mußte der Knecht wandern.
	        
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