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3. Draußen in der Stadt Meran großes Verhör. Hofer sagt, daß er
nach Willen und Befehl seines Kaisers gehandelt und vom Friedens—
schlusse zuletzt nichts gewußt habe. Was man ihm nun antun werde,
er wolle es geduldig leiden als Buße für seine Sünden; aber was die
Verteidigung seines Heimatlandes angehe, habe er nichts zu bereuen.
Unter dem Weinen und Knirschen der Bevölkerung wird er fort—
geführt. Der Weg ist weit. Ins welsche Land geht die Reise, auf die
Festung Mantua. — Kaum drei Wochen später ist's, da weiß der Hofer,
wieviel es geschlagen hat. Tag für Tag hat er gewartet auf eine Bot—
schaft von Wien, und jeden Abend sagt er zu sich: „Heut' abermals nichts.
Aber morgen!“ — Und eines Morgens, siehe, da traten zwei Offiziere
ein und verkündeten ihm das Urteil: „Begnadigt zu Pulver und Blei!“
Aufrecht stand er da mit an die Brust gepreßter Faust. So hörte er das
Urteil an. In der Nacht vor seinem Tode schrieb er: „Ade, du schnöde
Welt! So leicht kommt mir das Sterben an, daß mir nit einmal die Augen
naß werden.“ Dann kommt der Morgen, der Morgen jenes 10. Februar
im Jahre 1810.
4. As die Gerichtsdiener den Mann aus seiner Zelle zum Richtplatz
führen, stehen im Vorsaal und an der Treppe einige seiner Landsleute,
etliche der Kampfgenossen, die erst selbst auferstanden sind aus der Kerker—
nacht Mantuas, etliche, die sich sonst in die Festung geschmuggelt oder
gebeten haben, um ihren Führer und Kameraden noch einmal zu sehen.
Einer, dem die Franzosenkugel das Bein zerschmettert, ist an der Krücke
gekommen. Ein andrer ist von Trient her Tag und Nacht gegangen, als
er gehört, dem Hofer gehe es ans Leben. Er ist früh genug gekommen
zum AWschiednehmen.
Da stehen sie in der düstern Halle und hören über die Mauerbrüstung
und durch die Schießscharten herein das Kommando für die aufmar—
schierenden Soldaten. Jeder der hier wartenden Tiroler ist blaß wie die
Quadermauer. Keiner sagt zum andern ein Wort. Jedem ist zumute,
als gelte es ihm selbst. Jeder bangt vor dem Erscheinen dessen, den sie
hier erwarten. Wenn sie selbst schon gebrochen sind, die doch wieder
heimkehren sollen in ihre Berge, wie erst muß der Mann sein, den sie da
vorüberwanken sehen werden, der nach fruchtlosem Kampfe ums Heimat—
land dem Henkertode entgegengeht!
Endlich knarrt eine Pforte. Langsame Schritte hallen aus der Ferne
und kommen näher in den Gängen. Im Halbdunkel erscheinen die Ge—
stalten — ein Priester mit dem funkelnden Kreuz in der Hand, hinter
ihm, von zwei Bütteln begleitet, schreitet aufrecht Andreas Hofer.
Die Männer stehen wie versteinert. Als sie nun aber sein Auge sehen,
sein mildes, kindliches Auge, in dem keine Angst liegt und kein Trotz, das
auf sie hinblickt wie dankend, daß sie gekommen sind mit dem letzten Gruß