Full text: Deutsches Lesebuch für höhere Mädchenschulen ([Teil 4, [Schülerband]])

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Götter das liebreich Gebotene an, und während sie die Füße behaglich 
ins Wasser streckten, richteten die guten Wirte das Ruhebett zu. 
Dieses stand inmitten der Stube, mit Teichschilf waren die Polster 
gestopft, von Weidengeflecht die Füße und das Gestell; aber Philemon 
schleppte Teppiche herbei, die sonst nur an festlichen Tagen hervor— 
geholt wurden, — ach, auch sie waren alt und schlecht, und dennoch 
legten die göttlichen Gäste sich gern darauf, um nun das fertige 
Mahl zu genießen. Denn jetzt stellte das Mütterchen, geschürzt und 
mit zitternden Händen, den dreibeinigen Tisch vor das Lager, und 
da er nicht feststehen wollte, schob sie dem zu kurzen Fuß eine 
Scherbe unter; darauf rieb sie die Platte mit frischer Krauseminze 
und trug die Speisen auf. Da waren Oliven, herbstliche Kornel⸗ 
kirschen, eingemacht in klarem, dicklichtem Safte, auch Rettich, 
Endivien und trefflicher Käse und Eier, in warmer Asche gesotten. 
Alles das brachte Baucis auf irdenem Geschirr, und dabei prangten 
der bunte, tönerne Mischkrug und zierliche Becher aus Buchenholz, 
innen mit gelbem Wachs geglättet. Weder von hohem Alter, noch 
gar zu süß war der Wein, den der redliche Wirt einschenkte. Jetzt 
aber sandte der Herd die warmen Gerichte, und die Becher wurden 
zur Seite geschoben, damit es an Matz nicht mangle für den Nachtisch. 
Nüsse, Feigen und runzlichte Datteln wurden herbeigetragen, auch 
zwei Körbchen mit Pflaumen und duftenden Äpfeln; selbst purpurne 
Trauben fehlten nicht, und in der Mitte der Tafel praugte eine 
weißliche Honigscheibe. Die schönste Würze des Mahles aber waren 
die guten, freundlichen Gesichter der wackeren Alten, aus denen 
Freigebigkeit und treuherziger Sinn sprachen. 
Während nun alle an Speise und Trank sich labten, bemerkte 
Philemon, daß der Mischkrug trotz der immer von neuem gefüllten 
Becher sich nicht leeren wollte und stets der Wein wieder bis zum 
Rande emporwuchs. Da erkennt er mit Staunen und Furcht, wen 
er beherbergt, und flüsterte es der greisen Genossin zu. Mit demütig 
gesenkten Augen flehen sie in ihrem Herzen, daß die Himmlischen 
gnädig auf das dürftige Mahl schauen und ob der schlechten Be— 
wirtung nicht zürnen. Ach, was sollen sie solchen Gästen Besonderes 
bieten! Richtig, da fällt ihnen ein: draußen im kleinen Stalle ist ja 
die einzige Gans, die wollen sie sogleich opfern. Beide eilen hinaus, 
aber die Gans ist schneller als sie; mit Geschrei und flatternden 
Flügeln entwischt sie den keuchenden Alten und lockt sie bald hierhin, 
bald dorthin. Zuletzt gar rennt sie ins Haus hinein und verkriecht 
sich hinter den Gästen, als ob sie die Unsterblichen um Schutz flehte. 
Und er ward ihr gewährt; die Gäste wehrten dem Eifer der beiden
	        
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