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Götter das liebreich Gebotene an, und während sie die Füße behaglich
ins Wasser streckten, richteten die guten Wirte das Ruhebett zu.
Dieses stand inmitten der Stube, mit Teichschilf waren die Polster
gestopft, von Weidengeflecht die Füße und das Gestell; aber Philemon
schleppte Teppiche herbei, die sonst nur an festlichen Tagen hervor—
geholt wurden, — ach, auch sie waren alt und schlecht, und dennoch
legten die göttlichen Gäste sich gern darauf, um nun das fertige
Mahl zu genießen. Denn jetzt stellte das Mütterchen, geschürzt und
mit zitternden Händen, den dreibeinigen Tisch vor das Lager, und
da er nicht feststehen wollte, schob sie dem zu kurzen Fuß eine
Scherbe unter; darauf rieb sie die Platte mit frischer Krauseminze
und trug die Speisen auf. Da waren Oliven, herbstliche Kornel⸗
kirschen, eingemacht in klarem, dicklichtem Safte, auch Rettich,
Endivien und trefflicher Käse und Eier, in warmer Asche gesotten.
Alles das brachte Baucis auf irdenem Geschirr, und dabei prangten
der bunte, tönerne Mischkrug und zierliche Becher aus Buchenholz,
innen mit gelbem Wachs geglättet. Weder von hohem Alter, noch
gar zu süß war der Wein, den der redliche Wirt einschenkte. Jetzt
aber sandte der Herd die warmen Gerichte, und die Becher wurden
zur Seite geschoben, damit es an Matz nicht mangle für den Nachtisch.
Nüsse, Feigen und runzlichte Datteln wurden herbeigetragen, auch
zwei Körbchen mit Pflaumen und duftenden Äpfeln; selbst purpurne
Trauben fehlten nicht, und in der Mitte der Tafel praugte eine
weißliche Honigscheibe. Die schönste Würze des Mahles aber waren
die guten, freundlichen Gesichter der wackeren Alten, aus denen
Freigebigkeit und treuherziger Sinn sprachen.
Während nun alle an Speise und Trank sich labten, bemerkte
Philemon, daß der Mischkrug trotz der immer von neuem gefüllten
Becher sich nicht leeren wollte und stets der Wein wieder bis zum
Rande emporwuchs. Da erkennt er mit Staunen und Furcht, wen
er beherbergt, und flüsterte es der greisen Genossin zu. Mit demütig
gesenkten Augen flehen sie in ihrem Herzen, daß die Himmlischen
gnädig auf das dürftige Mahl schauen und ob der schlechten Be—
wirtung nicht zürnen. Ach, was sollen sie solchen Gästen Besonderes
bieten! Richtig, da fällt ihnen ein: draußen im kleinen Stalle ist ja
die einzige Gans, die wollen sie sogleich opfern. Beide eilen hinaus,
aber die Gans ist schneller als sie; mit Geschrei und flatternden
Flügeln entwischt sie den keuchenden Alten und lockt sie bald hierhin,
bald dorthin. Zuletzt gar rennt sie ins Haus hinein und verkriecht
sich hinter den Gästen, als ob sie die Unsterblichen um Schutz flehte.
Und er ward ihr gewährt; die Gäste wehrten dem Eifer der beiden