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Vorwärts! — gdier müssen wir uns flotter vorarbeiten, Kinder, hier wird's
eklig naßl!“
Pfui Spinne, das ist aber jetzt eine gemeine Pantscherei. Ich bin
schon neunzig, hundert Meter durch den nassen Graben vorwärtsgekrochen und
komme noch immer nicht auf trockenem Grund. Also erhebe ich mich sachte,
um ein paar Schritt zu laufen. — Aha, Infanteriegeschosse . . . Und vi⸗
Schwalbenschwirren geht's über mich hin. Sssst — ssst ... Also wieder
auf den Bauch geworfen und weitergekrochen. Endlich ist die tiefere Stelle
überwunden.
Da lieg' ich nun und warte, daß es Abend werde.
Wenn nicht das Gepoltere und Gekrache rechts von uns den Frieden
störte, man könnte den Sonnenuntergang anschwärmen. Ich weiß, wenn
wir jetzt daheim auf der kleinen Terrasse stünden und in dies wunderbare
Sonnengold blickten, wir würden einander stumm die Hand drücken. Ist's
nicht so?
Aber wie unendlich lang und schwer kann so ein Nachmittag werden.
Wie glücklich die, die schlafen können. Ruckweise vorwärts, ruckweise vorwärts.
Ja, das verzehrt immer noch keine halbe Minute. Und die Stunde hat sechzig.
Am Ende des Grabens gilt's eine kleine Söhe zu überwinden. Natür⸗
lich können wir sie nur im Kriechen nehmen.
Auf der linken Seite, neben dem Weg von Bethlehem nach Douve—
Ferme, heftiges Gewehrfeuer.
„Die Jäger greifen anl“ ruft irgendwer.
Und diesen Augenbic giln auszunutzen. Heraus aus dem Graben,
hinüber über das Ackerland. Und dann in Sprüngen vorwürts. Einzeln
oder in weit zerstreuten Gruppen.
Nun sinkt auch die Dämmerung herein. Endlich!
Mit weiten Zwischenräumen gehen wir Führer vor, um gewissermaßen
den Rahmen für die un— folgenden Leute zu geben. Wenigstens hat jetzt
das Artilleriefeuer aufgehört. Nur seine Brandfackel leuchtet noch durch den
Herbstabend: das ganze Kloster steht in Flammen! Von dem kleinen Hügel
loht es zum Sternenhimmel empor. Es sieht schön aus, wunderschon,
grausig schön.
Gegen acht Uhr haben wir in der Söhe der Nachbarkompagnie einen
Schützengraben erreicht, den der Gegner verlassen hat. Er ist natürlich
gegen die andere Seite gerichtet. Also giebt's noch tüchtige Schanzarbeit.
Eine Brustwehr muß nach de Westseite hinaufgeworfen werden.
Gepäck und Helme und Koppel werden abgehängt, Gewehr darauf
gelegt, Spaten und Schaufeln heraus. Viele entledigen sich auch des Rockes
und arbeiten in der Wollweste, die der Liebesgabenzug nach Lille gebracht
hat. Nach dem stundenlangen Liegen ist es eine wahre Wohltat, sich
zu rühren.
Gegen 11 Uhr ist die neue Behausung unter der Erde fertiggestellt.
Rochlitz dampft. „Et is ekligter Lehmboden, Herr HSauptmann!“ Da er
Zimmermeister an der Havel ist, macht ihm die übrige Arbeit dann weniger
Schwierigkeiten. Wir kriegen wieder unser Dach, das mit Ackerboden be—
worfen wird, und unser Mobiliar: ein paar Schütten Stroh und eine Kiste.
„Nanu, Rochlitz, wo haben Sie denn die her?“
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