Full text: [Abt. 1 = Für Sexta, [Schülerband]] (Abt. 1 = Für Sexta, [Schülerband])

Die Nibelungensage. 
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sprang ihm auch noch weiter nach, obgleich er den König Günther, der auch 
jetzt wieder die Miene des Kämpfenden angenommen hatte, im Sprunge 
mit sich durch die Lüfte tragen mußte. Brunhilde sah sich als besiegt 
an und forderte sofort ihre Dienstmannen auf, dem Könige Günther zu 
huldigen. Siegfried aber hatte seine Tarnkappe heimlich wieder aufs 
Schiff getragen und teilte, als er zurückkam, die Freude aller, daß 
Günther den Sieg gewonnen habe und Brunhilde ihm an den Rhein 
folgen werde. Da er aber wohl sah, daß Brunhildens Augen vor Zorn 
funkelten, und da die Burgunden von dem Ingesinde Brunhildens allerlei 
Gefahr befürchteten, tröstete Siegfried seine Genossen, indem er Hilfe zu 
bringen versprach. Er ging denn auch wieder aufs Schiff, band es vom 
Gestade los, schlüpfte in die Tarnkappe und fuhr durch wunderbare Kraft 
mit unglaublicher Geschwindigkeit ungesehen in das Land der Nibelungen, 
entbot daselbst tausend seiner Ritter und führte sie mit gleicher Ge¬ 
schwindigkeit nach dem Jsensteine, wo ihr Erscheinen einen solchen 
Eindruck machte, daß Brunhilde sich nicht weigerte, dem Könige Günther 
als ihrem rechtmäßigen Gemahle in sein Land zu folgen. 
Unterwegs fanden es die Burgunden geraten, einen Boten nach 
Worms vorauszuschicken, und keiner wurde zu diesem Botendienst für 
passender gehalten als Siegfried. Dieser übernahm ihn mit Freuden 
und fand in Kriemhildens holdseligem Gruße den reichsten Lohn dafür. 
Als Brunhilde mit Günther ankam, wurde sie mit hohen Ehren 
und allen Bezeigungen der Liebe empfangen, zumal von der würdigen 
Königin Ute und von Kriemhilden, die in der jungen Königin eine 
Schwester gefunden zu haben glaubte und sie mit echt schwesterlicher 
Herzlichkeit empfing und begrüßte. 
Siegftied aber erinnerte den König Günther an seine Zusage, 
und da dieser Wort hielt, so wurde auch aus Siegfried und Kriem¬ 
hilden ein Paar, und das Fest der Doppelvermählung wurde bei Hofe 
mit aller Pracht gefeiert. 
Als die für die Hochzeit der beiden königlichen Paare angesetzten 
Tage vorüber waren, nahmen Siegfried und Kriemhilde Abschied von 
der alten Königin Ute und ihren Söhnen und reisten nach Tanten, wo 
sie von dem alten Könige Siegmund aufs herzlichste empfangen wurden; 
Siegelinde aber, die Mutter Siegftieds, konnte sich des Glückes, das 
ihr Sohn zu Worms gefunden hatte, nicht mehr erfreuen, denn sie 
war inzwischen gestorben. 
Siegmund legte die Regierung zu gunsten seines Sohnes nieder, 
und Siegfried gewann als starker, gerechter und milder König die Liebe 
seines Volkes in noch höherem Grade als vorher. Das Söhnlein, das 
ihm der Himmel schenkte, nannte er seinem Schwager zu Ehren Günther 
so wie Günther den Sohn, der ihm bald darauf beschert wurde, 
Siegfried nannte.
	        
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