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IX. Aus dem Naturleben.
Dolden lauter goldene Westenknöpfe wachsen. Dort rankt am Boden
die dornige Hauhechel, von rosigen Blüten wie mit kleinen Schmetter¬
lingen besetzt; nebenan hält die Schafgarbe und die wilde Möhre ihre
weißen Blumenteller und der Mauseklee seine grauen Pelzmützchen
empor. Blaue Glockenblumen stehen hin und wieder in Gesellschaften
beieinander, und dicht daneben reißt das goldene Löwenmaul seinen
kleinen unschädlichen Rachen auf.
Hier summt und schwärmt es nun von allerlei Besuchern und
Gästen die ganze Tonleiter hindurch vom tiefen, brummenden Ton der
großen Hummel, welche der Bär unter den Insekten ist, bis zum feinen
Singen der zierlichen Mücke. So eine große Blütendolde ist wie ein
Wirtshaus, wo alles einkehrt und sein Schöppchen trinkt. Die fleißige
Biene hat es eilig; mit ruheloser Hast fliegt sie von einer Blüte an die
andere, und ohne Besinnen fliegt sie wieder weiter — man merkt ihr
an, daß sie nach dem Grundsätze lebt: „Zeit ist Honig." Behaglicher
treibt das Ding schon der leichtsinnige Lüstebummler, der Schmetter¬
ling. Während er seinen spiraligen Rüssel behutsam in ein Blüten¬
schöppchen versenkt, vergißt er nicht, das schimmernde Flügelpaar von
Zeit zu Zeit auszubreiten und es dem Sonnenschein und der Betrach¬
tung darzubieten. Die seßhafteren Käfer dagegen sind als Stamm¬
gäste zu betrachten. Sie gleichen kleinen Philosophen (Denkern), die
mit vornehmer Verachtung auf den emsigen Fleiß der Biene wie
auf den flatterigen Leichtsinn des Schmetterlings blicken, ihr Schöpp-
lein schlückchenweise leeren und tiefsinnigen Gedanken über das Wohl
und Wehe der Käferheit nachhangen, bis ein hungriger Vogel vorüber¬
kommt und sie samt ihrer Weisheit auffrißt.
Aber das Kornfeld hin schießen gern die Schwalben, um Jagd zu
machen auf das winzige Geflügel, das die Ähren umschwärmt. Der eigen¬
tümlichste Vogel bleibt jedoch, außer den Ammern, immer die Lerche,
die bescheiden auf dem Erdboden Zwischen den Halmen nistet und von
da sich singend emporschwingt in die blauen, himmlischen Höhen.
Andere versteckt lebende Bewohner des Kornfeldes bekommt man,
solange das Getreide steht, selten zu Gesicht, so das Rebhuhn und die
flinke Wachtel. Dafür macht sich der klingende Ruf der Wachtel
desto mehr bemerklich. An stillen, warmen Frühlingsabenden, wenn
ein feuchter Dunst über den Feldern schwebt und die nebelbedeckten
Wiesengründe wie weiße Seen dazwischen liegen, hört man ihr durch¬
dringendes „Pickperwick" unaufhörlich, während der Wachtelkönig von