Arndt. Avenarius. Bernhardt.
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10. Doch als der König sich bleich erhob,
Blaß wieder ein Dämmern die Halle durchwob.
11. Und als er rief: „Verrat! Zu Roß!"
Weiß wieder der Tag die Halle durchfloß.
12. Wohl jagten sie windschnell querfeldein.
Rastlos bei Sonnen- und Sternenschein.
13. Hin bis zum Morgen nach Ronceval —
Da kreischten die Krähen schon über dem Tal,
14. Da lagen die Helden, die Wunden vorn.
Und stumm er, Roland, zerborsten sein Horn.
\2<\. Der Löwe von Florenz.
August Ferdinand Bernhardt. Philipp Wackernagels deutsches Lesebuch.
Stuttgart.
„Der Löw' ist los, der Löw' ist frei,
Die ehernen Banden riß er entzwei!
Zurück! — daß ihr den vergeblichen Mut
Richt schrecklich büßt mit dem eigenen Blut!"
5. Und jeder suchte mit scheuer Eil'
In des Hauses Jnnerm Schutz und Heil.
Auf Markt und Straßen all umher
Ward's plötzlich still und menschenleer.
Ein Kindlein nur, des unbewußt,
10. Verloren in des Spieles Lust,
Fern von der sorglichen Mutter Hand,
Saß auf dem Markt am Brunnenrand
Wohl viele schauten von oben herab.
Sie schauten geöffnet des Kindleins Grab,
15. Sie rangen die Hände und weinten sehr
Und blickten um Hilfe rings umher.
Doch keiner wagte, das eigne Leben
Um des fremden willen dahin zu geben;
Denn schon verkündet ein nahes Gebrüll
20. Das Verderben, das jeglicher meiden will.
Und schon mit der rollenden Augen Glut
Erlechzt der Löwe des Kindleins Blut,
Erhebt er drohend die grimmige Klau', —
O qualvoll herzzerreißende Schau!
2. Teil.