II. Lyrische Poesie.
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J67. Ach, wer doch das könnte!
Victor Blüthgen. Kinderlieber. Aus Bern: Deutsche Lyrik. Leipzig.
1. Gemäht sind die Felder, der Stoppelwind weht;
Hoch droben in Lüften mein Drache nun steht.
Die Rippen von Holze, der Leib von Papier,
Zwei Ohren, ein Schwänzlein sind all seine Zier;
Und ich denk': so drauf liegen
Im sonnigen Strahl,
Ach, wer doch das könnte
Nur ein einziges Mal!
2. Da guckt' ich dem Storch in das Sommernest dort:
Guten Morgen, Frau Storchen, geht die Reise bald fort'?
Ich blickt' in die Häuser zum Schornstein hinein:
Papachen, Mamachen, wie seid ihr so klein!
Tief unter mir säh' ich
Fluß, Hügel und Tal —
Ach, wer doch das könnte
Nur ein einziges Mal!
3. Und droben, gehoben, auf schwindelnder Bahn,
Da faßt' ich die Wolken, die segelnden, an;
Ich ließ' mich besuchen von Schwalben und Kräh'n
Und könnte die Lerchen, die singenden, sehn;
Die Englein belauscht' ich
Im himmlischen Saal —
Ach, wer doch das könnte
Nur ein einziges Mal!
J68. Herr Gott, du sollst gelobet sein.
Clemens Brentano. Gedichte. Frankfurt a. M.
1. Kein Tierlein ist auf Erden
Dir, lieber Gott, zu klein.
Du ließ'st sie alle werden.
Und alle sind sie dein.
2. Das Vöglein in den Lüften
Singt dir aus voller Brust,
Die Schlange in den Klüften
Zischt dtp in Lebenslust.
3. Die Fischlein, die da schwimmen,
Sind, Herr, vor dir nicht
stumm,
Du hörest ihre Stimmen,
Vor dir kommt keines um.
4. Vor dir tanzt in der Sonne
Der kleinen Mücken Schwarm,
Zunl Dank für Lebenswonne
Ist keins zu klein und arm,