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Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. War Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: „Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.“
Und drei Tage drauf aus dem Doppeldachhaus
Trugen von Ribbeck sie hinaus.
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
20. Sangen: „Jesus, meine Zuversicht“,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
„He is dod nu. Wer giwt uns nu ’ne Beer?“
So klagten die Kinder; das war nicht recht.
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht.
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt,
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtrauen gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was er damals tat,
30. Als um eine Birn’ ins Grab er bat.
Und im dritten Jahr, aus dem stillen Haus,
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.
Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet’s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' über den Kirchhof her,
So flüstert’s im Baume: „Wiste ’ne Beer?“
Und kommt ein Mädel, so flüstert’s: „LüttDirn,
40. Kumm man röwer, ick geb di ’ne Birn.“
So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
Fontane.
129. Das Kind am Iatkensteine.
1. Es steigt am Falkensteine
Ein junges Weib hinauf;
Arm, will sie Kräuter pflücken
Und tragen zum Verkauf.
2. Sie setzt ihr muntres Kindlein
An einen sichern Ort,
Und gibt ihm glatte Steinchen
Und sammelt emsig fort.
3. Das Kindlein aber gleitet
Zum steilen Felsenhang.
Ein Schrei! Es horcht die Mutter
Und sieht sich um so bang.
4. Sie sucht umsonst den Kleinen,
Wirst schnell die Kräuter weg
Und stürzt mit schwankem Fuße
Hinab den Felsensteg.
5. Schon wähnt sie zu erblicken
Das Kindlein blutigrot.
Sie ringt sich wund die Hände
Und wünscht sich jähen Tod.