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Pappenheines geschafft und hat dort von den: General und dem Herzog
von Holstein nicht eben die freundlichsten Reden zu hören bekommen.
Morgen soll er nach Wolmirstedt gebracht werden. Wer weiß, was dort
mit ihm geschieht, denn der Tilly ist gar grimmig ans ihn."
„Habt ihr vielleicht von einem gewissen Otto von Guericke etwas 5
gehört?" forschte Andreas.
„Guericke?" wiederholte Josias nachsinnend und legte den Zeigefinger
auf die Nase. „Es ist mir allerdings, als ob ich den Namen — Guericke...
Guericke — Holla, ja wohl! Ist es nicht so eine Art von Tausend¬
künstler? Oh, dem gehts soweit ganz gut. Der kaiserliche General-Kriegs- 10
kommissarius von Walmerode hat sich seiner wacker angenommen und ihn
mit seiner jungen Ehegenossin und zwei Kindern hierher ins Lager ver¬
bracht. So viel ich weiß, ist der kleinste der beiden Knaben von einem
Kroaten verwundet worden, aber nicht gefährlich. Ganz recht, Guericke
heißt er, ja wohl, er ist bei unserer Generalität sehr bekannt und wird 10
mit großer Schonung und Milde behandelt."
„So ist er also auch ein Gefangener?" riefen die Brüder gleichzeitig.
„Natürlich, bis er das Lösegeld herbeigeschafft hat. Wird ihm aber
auch schwer werden, da er all seine Habe verloren hat. Geldmittel besitzt
er jedenfalls nicht, denn sonst hätte er den Dukaten sicherlich zurückgewiesen, 20
den ihm heute Nachmittag mein Herr Rittmeister zum Geschenk gemacht,
weil er ihm seine beschädigte Taschenuhr wieder instand gesetzt hat. Jetzt
aber hab ich genug mit euch geplaudert. Ich will mich zur Ruhe legen,
denn der Tag war hart, und wer weiß, was uns morgen wieder bevorsteht.
Habt gute Nacht!" 25
Damit verließ er das Brüderpaar und suchte seine eigene Strohhütte
auf; eine Viertelstunde später schlief er bereits den Schlaf des Gerechten,
wie sein mächtiges Schnarchen bewies, während unsere beiden Freunde
den erquickenden Schlummer nicht zu finden vermochten.
Am andern Morgen begannen die Verhöre, welche die Schultheißen 30
(Auditeure) einzelner Regimenter mit sämtlichen Gefangenen anstellten,
um die Urheber der Widersetzlichkeit Magdeburgs zu ermitteln. Das
Gutachten der Inquirenten fiel dahin aus, daß Rudolf und Andreas
Ratbvd sowie noch verschiedene andere gut schwedisch gesinnte Bürger
Magdeburgs als Rebellen und Feinde des Kaisers vor das Kriminal- 35
malefizgericht zu stellen und bis dahin in harter Hast zu halten seien.
Damit war so zu sagen schon jetzt das Todesurteil über die Beschuldigten
ausgesprochen.
Während dieser Gerichtstag- im kaiserlichen Lager abgehalten wurde,
strömte die wilde Soldateska aufs neue nach der in Trümmern liegenden 40
Stadt, um die Plünderung fortzusetzen, und in der That fanden die
Soldaten nach Wegräumung des Schuttes in den Kellern außerordentlich
viel Geld, Geschmeide, Geschirr von Kupfer, Messing und Zinn, große