154 Prosa. 4. Bilder aus deutschen Gauen. — 5. Aus dem deutschen Walde.
oder umfließt, hat er durch Bildung von natürlichen Bastionen willkommene
Gelegenheit zur Sicherung des erworbenen Besitzes gegeben. Welche Fülle
und Mannigfaltigkeit bietet sonach das Moseltal, namentlich wenn man es
mit den einförmigen Hochrücken zur Seite vergleicht, deren Anbau und Be¬
völkerung so dünn ist! In ihm schaut unser Auge zahlreiche Ortschaften,
einzelne Wohnsitze, Burgen und Gotteshäuser in buntester Aufeinanderfolge;
und zwar längs des schiffbaren Stromes Schifferdörfer, Verkehrs- und Über¬
fahrtplätze, Dörfer von Ackerbauern, Gärtnern und Winzern, bald an den
Felsen, bald in den Einschnitten der Berge klebend, bald über eine sanft ge¬
wölbte Lehne hiugestreut und ringsum von Wein- und Obstgärten umschlossen.
Ferner sieht man hart an den Seiten des Stromes auf den Vorgebirgen und
Felsenvorsprüngen Ritterburgen und Adelsschlösser, auf andern Spitzen und
Einschnitten der verschiedenartig geformten Höhen einzelne Gehöfte, Kirchen mit
schlanken Spitztürmen, Kapellen und Klöster oder deren Ruinen; dann wieder
folgt eine der kleinen Städte vor oder schon in einem der durch Heimlichkeit
und Stille lockenden Seitentäler und Schluchten.
Und wie wird nun durch die vielfachen kurzen Windungen und Krüm¬
mungen der Mosel deren Tal belebt und geschmückt! — Die Mosel und ihr
Tal sind aber auch schon frühzeitig Gegenstand begeisterter Dichtungen gewesen.
Schon der Römer Ausonius (fl 302 n. Chr.) feiert in einer Idylle die „Mosella,
umblüht von duftendem Weinlaub", und nach ihm haben zahlreiche Sänger
seine Loblieder wiederholt.
Wenn man von Trier an das Dampfboot flußabwärts benutzt, so wird
man durch den Ort Pfalzel an eine Pfalz der fränkischen Könige erinnert,
während Pisport und Brauneberg dem Freunde des Moselweins als Rastorte
höchst willkommen erscheinen. Dann grüßt Bernkastel von rechts her aus der
Ferne, mit welchem wir einen Glanzpunkt des Tales erreichen. Reizend liegt
das Städtchen dieses Namens an dem Ufer des rauschenden Flusses, und über
ihm ragt die stattliche Ruine einer Burg, die einst ein römisches Kastell bildete,
später mehrfach vergeblich belagert, aber auch mehrfach gebrochen wurde, bis sie,
immer wieder erneuert, durch einen verheerenden Brand am Ende des 17. Jahr¬
hunderts endgültig zur Ruine verfiel. Gegenüber winkt das wohlhabende
Örtchen Eues, das durch einen seiner Söhne, den auf dem Konzil zu Basel
einflußreichen Bischof von Brixen und Kardinal Cusanus, mit einem stattlichen
Hospital beschenkt worden ist, und ringsum gedeiht der treffliche Wein, dessen
beste Lage, „der Bernkastler Doktor", vorzüglich geschätzt wird. — Weiterhin
bezeichnen die Orte Graach und Zeltingen abermals treffliche Weinorte, und
das alte Trarbach, welches später sichtbar wird, taucht mit mittelalterlichen
Mauern und Türmen und der über chm stolz chronenden Gräfinburg höchst