Full text: Mittelstufe: Erster Kursus (Teil 3, [Schülerband])

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einander einstanden. So lebten sie glücklich und zufrieden, als 
dies Glück plötzlich durch einen Vorfall gestört wurde, den wohl 
keiner hätte ahnen können. Denn so unbescholtenen Wandels 
auch alle drei bisher gewesen waren, wurde doch der eine der¬ 
selben des Meuchelmordes angeklagt und sollte, obgleich er noch 
kein Geständnis gethan, da alle Umstände die ihm zur Last 
gelegte That wahrscheinlich machten, den Tod erleiden. Noch 
sass er im Gefängnisse, als eines Tages seine beiden Brüder 
vor dem Richter erschienen und jeder derselben sich des be¬ 
gangenen Mordes schuldig erklärte. Kaum hatte dies der zum 
Tode Verurteilte vernommen, als auch er, indem er erkannte, 
dass seine Brüder ihn nur retten wollten, der That geständig 
wurde und so statt eines Thäters drei vor Gericht standen, von 
denen jeder mit gleichem Eifer behauptete, dass er allein jenen 
Mord begangen. Da wagte der Richter nicht, den Urteilsspruch 
an dem ersten zu vollstrecken, sondern legte den Fall zuvor 
noch einmal dem Kurfürsten vor, welcher verordnete, dass hier 
ein Gottesurteil entscheiden solle. Er befahl daher, ein jeder 
der drei Brüder solle eine gesunde Linde mit der Krone in das 
Erdreich pflanzen, so dass die Wurzeln nach oben stünden; 
wessen Baum dann vertrocknen würde, den hätte Gott dadurch 
als den Thäter bezeichnet. Dies Urteil wurde auch sogleich 
beim Anbruch des Frühlings vollzogen, und siehe da! nur wenige 
Wochen vergingen, und alle drei Bäume, die man auf dem Kirch¬ 
hofe des Hospitals zum heiligen Geist gepflanzt hatte, bekamen 
frische Triebe und wuchsen bald zu kräftigen Bäumen heran. 
So war denn die Unschuld der drei Brüder erwiesen, und die 
Bäume haben noch lange in üppiger Kraft an der alten Stelle 
gestanden, bis sie endlich verdorrt sind und andern Platz ge¬ 
macht haben. A. Kuhn. 
95. Die beiden Gäste. 
1. Ein Wirtshaus an dem Wege stand, 
„Zur Maienblume" war's benannt, 
Drin schenkt man Honig, süß und mild — 
Hat manchem schon den Durst gestillt. 
2. Da kommt des Wegs ein Wandersmann, 
Hat kleine gelbe Stiefel an; 
Es singet leis das Bürschchen fein, 
Klopft an die Thür und will hinein.
	        
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