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116. Frankfurt am Main. J17. Drachen-Steigen.
116. Frankfurt am Main.
Die besten seiner Helden, sie lagen in Sachsen todt,
Da flöhe Karolus Magnus, der Kaiser, in großer Noth.
„Laßt eine Furt uns suchen, längs hin am schönen Main;
O weh, da liegt ein Nebel, der Feind ist hinterdrein!"
Nun betet Kaiser Karol auf Knien an seinem Speer,
Da theilte sich der Nebel, eine Hirschin ging daher,
Die führte ihre Jungen hinüber zum andern Strand,
So machte Gott den Franken die rechte Furt bekannt.
Hinüber zogen Alle, wie Israel durchs Meer,
Die Sachsen aber fanden im Nebel die Furt nicht mehr.
Da schlug der Kaiser Karol mit seinem Speer den Sand:
„Die Stätte sei hinfüro der Franken Furt genannt."
Er kam da bald zurücke init neuer Heeresmacht,
Damit er der Sachsen Lande zu seinem Reich gebracht.
Doch dort am Main erpranget nun eine werthe Stadt,
Die reich ist aller Güter und edle Bürger hat.
Es ward da mancher Kaiser gekrönt mit Karol's Krön'
Und feierlich gesetzet auf goldgestickten Thron.
Da briet man ganze Rinder, es strömte der Fülle Horn,
Es schöpfte jeder Arme Wein sich aus reichem Born!
Im Römer füllte dem Kaiser der Erzschenk den Pokal,
Mit Kaiserbildern wurden bedeckt alle Wände im Saal.
Dedeckt sind alle Wände bis an den letzten Saum,
Kein neuer Herrscher fände zu seinem Bildniß Raum.
Der erste deutsche Kaiser gab Namen dieser Stadt,
Die auch den letzten Kaiser in ihr gekrönet hat.
A. Hopisch.
117. Drachen-Steigen.
Es weht so frisch der Wind, der Wind,
Kommt Alle auf das Feld geschwind!
Ich laß den Drachen steigen;
Nie sah't ihr solchen Vogel Greis,
Hat einen riesenhaften Schweif
Trotz Schiller's mächt'gem Drachen.
Heisa! Jetzt laßt die Kordel los!
Nur immer zu, denn sie ist groß,
Wie einst Ariadne's Faden.
Hab' mehr als Theseus selbst gethan,
Den großen Drachen spann' ich an,
Er ist mir unterthänig.
Verschüttet mein Laternchen nicht,
Daß nicht erlischt das kleine Licht,
Das ich ihm angebunden.
Denn steigt er auf zur Himmelssern',
So leuchtet er gleich einem Stern,
Daß alle Leute staunen.
Dann schauen sie und rufen: Seht,
Schon wieder zeigt sich ein Komet!
Steht er in dem Kalender?
Der wird uns bringen Hungersnoth,
Am End' gar Krieg und Pest und Tod.
Bewahr' uns Gott in Gnaden!